Inhalt:
Interview
Auszug aus dem Interview zum Thema „Energieeffizienz-Richtlinie“
Interviewpartner: Andreas Henkel, Referent in der Wirtschaftskammer Österreich, Bundessparte Gewerbe und Handwerk, und Wolfgang Amann, Geschäftsführender Gesellschafter des IIBW - Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen
Robert Stadler (OIB): "Welche im Entwurf der Richtlinie enthaltenen Maßnahmen halten Sie für besonders notwendig und richtig?"
Wolfgang Amann
…Diese Schwerpunkte sind gut und richtig. Bei beiden kann der Schuss aber auch nach hinten losgehen. Natürlich soll vermieden werden, gebaute Schuhschachteln durch die Umstellung auf Fernwärme oder Stromheizung zu dekarbonisieren. Gleichzeitig werden wir aber die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes nicht schaffen, wenn wir flächendeckend Niedrigstenergiestandard vorschreiben. Die nötige Skalierung ist nur möglich, wenn auch „zweitbeste“ Lösungen forciert werden. Wir beim IIBW haben den Zugang von „80/20-Sanierungen“ entwickelt. Gemäß dem Pareto-Prinzip zielen wir darauf ab, mit 20 % des Einsatzes 80 % des Ergebnisses zu erreichen. Das heißt, die Gebäudehülle nur soweit zu ertüchtigen, dass eine Umstellung auf Niedertemperaturheizung mit zentraler Wärmepumpe möglich ist. Das ist meist zu Kosten machbar, die mit den gebäudeweise verfügbaren Mitteln auch zu stemmen sind. Ein solcher Zugang sollte weiterhin möglich bleiben, ja forciert werden.
Auch der Schutz vulnerabler Haushalte sollte nicht dahin führen, notwendige wohnrechtliche Regelungen der Kostentragung von Sanierungen generell über Bord zu werfen. Vielmehr sollten schutzbedürftige Haushalte durch Beihilfen und soziale Beratung unterstützt werden. Selbstverständlich soll Gentrifizierung und Segregation vermieden werden. Gleichzeitig muss es aber gelingen, alle Wohnungen im jeweiligen Gebäude anzufassen.
Bei der Identifikation von Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele wurden die Verbindungen zwischen den Sektoren bisher zu wenig beachtet. Damit meine ich die Einsparpotenziale durch die Sektorkopplung zwischen Gebäuden und Energiewirtschaft oder zwischen Gebäuden und Verkehr. …
Robert Stadler (OIB): "Welche Maßnahmen halten Sie für eher weniger notwendig bzw. überschießend?"
Andreas Henkel
Vor allem ungeklärt ist die Beziehung der EBPD zu anderen Rechtsmaterien, was auch auf die nicht koordinierte Vorgangsweise der EU-Kommission zurückzuführen ist (und ein wenig auf die überschießenden Wünsche des EU-Parlaments). Zum Beispiel ist unklar, in welchem Verhältnis die Klimaneutralität eines Gebäudes zur Lebensdauer des Gebäudes zu bewerten ist. Insofern halten wir eine Lebenszyklusbetrachtung für sehr wesentlich. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft können ebenso ein Gegensatz sein wie Klimaneutralität und Umweltschutz. Kreislaufwirtschaft bedeutet die verbesserte Möglichkeit der Trennung von Baurestmassen. Digitale Produktpässe sind zu erwarten, um auch Stoffflüsse besser darstellen zu können. Für KMU als Zulieferer bedeutet dies einen ungeheuren Aufwand und eine quasi final erzwungene Digitalisierung ihres Geschäfts. Der Aufwand kann natürlich zu mehr Effizienz führen (bei erhöhtem Cyber- Sicherheits-Risiko), aber ebenso zum Ausscheiden von Anbietern, und angesichts der erforderlichen Investitionen zu erhöhten Kosten (Stichwort: Leistbares Bauen und Wohnen). Hier sind Abstimmungen notwendig, um nicht Ineffizienzen Vorschub zu leisten – eine große Kommunikationsaufgabe zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Denn nur in Abstimmung besteht eine Chance der Umsetzung der Anforderungen.
Die EBPD formuliert ja technisch „nur“ die politische Erwartungshaltung. Die rechtliche Umsetzung ist damit so wenig geschafft wie die notwendige Finanzierung der Maßnahmen, da ja gerade in den 15 % der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz Personen wohnen, die sich die notwendigen Investitionen mitnichten leisten können. Und eines muss auch erreicht werden: Die Anforderungen dürfen nicht dazu führen, dass einfache Renovierungsschritte ausgesetzt werden.
Das gesamte Interview finden Sie in OIB aktuell, 3.2023