Der Smart Readiness Indicator (SRI) soll Gebäude fit für Digitalisierung und Energieeffizienz machen, doch die EU-Methodik stößt an ihre Grenzen. Die Autoren stellen einen messwertbasierten Ansatz vor, der die tatsächliche Wirkung intelligenter Systeme, insbesondere der Lastflexibilisierung, quantifiziert und so den SRI aussagekräftiger macht.
Text Martin Hödl-Holl und Thomas Zelger,FH Technikum Wien, 7.11.2025
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EU-Methodik und Hintergrund
Der Smart Readiness Indicator (SRI) soll laut Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD 2024[1], ErwG 56) die Fähigkeit von Gebäuden bewerten, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie elektronische Systeme so einzusetzen, dass der Gebäudebetrieb an Nutzerbedürfnisse und Netzanforderungen angepasst und die Gesamtenergieeffizienz gesteigert wird.
Die von der EU vorgeschlagene Methodik bewertet die Smart Readiness anhand von 54 Smart Ready Services. Jedes dieser Services wird anhand seiner Funktionalitätsstufe mit 0 bis 4 Punkten bewertet. Ein festes Gewichtungssystem legt, unabhängig vom Gebäudekontext, die Relevanz der einzelnen Services in Bezug auf sieben Wirkungskategorien fest.
Aus den gewichteten Bewertungen werden Impact Scores (0–100 %) für diese Wirkungskategorien gebildet, die anschließend zu drei übergeordneten Schlüsselfunktionen aggregiert werden:
- Energieeffizienz & Betrieb
- Nutzerkomfort & Information
- Flexibilität & Netzinteraktion
Diese drei Teilbewertungen fließen zu gleichen Teilen in den Gesamtwert des SRI ein. Vereinfacht gesagt: Je mehr Smart Ready Services mit hoher Funktionalitätsstufe vorhanden sind, desto höher ist der resultierende SRI.
Grenzen der bestehenden Methodik
Da die Bewertung weder bauliche noch physikalische oder nutzungsspezifische Eigenschaften berücksichtigt, erlaubt der SRI keine Aussage über das tatsächliche Energie- oder Emissionseinsparpotenzial durch die intelligente Ausstattung. Gebäude mit einer reduzierten, aber im spezifischen Kontext besonders wirksamen Ausstattung erreichen vergleichsweise niedrige SRI-Werte, während eine umfangreiche technische Ausstattung unabhängig von ihrer Wirksamkeit zu hohen Bewertungen führt.
Der zugrunde liegende Kriterienkatalog kann somit als eine Art „Einkaufsliste“ verstanden werden: Er listet jene Ausstattungsmerkmale auf, die für die Erreichung eines maximalen SRI erforderlich sind. Eine integrale, kontextabhängige Systemoptimierung – etwa durch den Einsatz eines digitalen Gebäudezwillings, wie in der EPBD 2024 (vgl. Anhang IV, Abs. 1) vorgesehen – wird dabei nicht berücksichtigt.
Um die Aussagekraft des Indikators zu bewerten, sollte grundsätzlich zwischen der Fähigkeit Smart Readiness eines Gebäudes und der Indikation der Smart Readiness durch den SRI unterschieden werden.
Smart Readiness beschreibt die technische, funktionale und operationelle Fähigkeit eines Gebäudes, seine Energiesysteme an Nutzeranforderungen und Netzbedingungen anzupassen, um Energieeffizienz, CO₂-Einsparung und Komfort zu optimieren. Der SRI hingegen ist eine bewertende Kennzahl, deren Aussagekraft davon abhängt, wie gut das Punktesystem die reale Leistungsfähigkeit eines Gebäudes abbildet.
Perspektive einer messwertbasierten Weiterentwicklung
Bereits 2020 schlugen Verbeke et al.[2] – die Autoren der EU-Methodik – ergänzend zu den punktebasierten Methoden A und B eine messwertbasierte „Methode C“ als potenzielle zukünftige Weiterentwicklung vor. Diese soll die tatsächliche Wirkung intelligenter Systeme im Betrieb erfassen, etwa hinsichtlich Energieeinsparung, Flexibilität oder Komfort.
Angesichts der EPBD-Anforderungen und der beschriebenen Problematik erscheint eine solche Weiterentwicklung nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, um die Indikationsgüte des bestehenden SRI zu überprüfen. Der folgende Vorschlag versteht sich daher als Beitrag zur Entwicklung einer messwertbasierten SRI-Methode.
Da die Schlüsselfunktionen teils gegenläufige Ziele verfolgen – etwa Komfort und Flexibilität –, mindert die Aggregation zu einem Gesamtwert die Aussagekraft erheblich. Daher wird empfohlen, die drei Key Functionalities getrennt auszuweisen. Gemeinsam bewertet werden sollte nur, was durch eine Messung innerhalb derselben Wirkungskategorie validiert werden kann. Der hier vorgestellte Ansatz bezieht sich konkret auf die Schlüsselfunktion „Flexibilität & Netzinteraktion“.
Methodikvorschlag zur Quantifizierung der Smart Readiness
Anstatt den Funktionsumfang der technischen Ausstattung zu bewerten, basiert der Methodikvorschlag darauf, die Wirkung intelligenter Betriebsweisen im spezifischen Gebäudekontext zu simulieren oder im Realbetrieb zu erfassen.
Als zentrale Kennzahl dient die Einsparung an CO₂-äquivalenten Emissionen durch Lastflexibilisierung, also durch die zeitliche Verlagerung des Energieverbrauchs in Perioden mit hoher Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. Auf Grundlage stündlicher Verbrauchs- und CO₂eq-Intensitätsdaten (Quelle: Electricity Maps) werden die resultierenden Emissionen berechnet – entweder aus Smart-Meter-Daten oder aus einer simulierten Lastkurve.
In der Simulation erfolgt die Wärme- bzw. Kältebereitstellung in den Stunden mit der geringsten CO₂eq-Intensität. Die benötigte Anzahl an Stunden hängt vom Wärmebedarf und der Heizleistung ab. Höhere Dämmstandards und größere thermische Speicherkapazitäten verlängern die durch Komfortgrenzen begrenzten Zeitfenster für die Optimierung und ermöglichen damit größere Emissionsreduktionen.
Im Realbetrieb werden die stündlich gemessenen Energieverbräuche mit der jeweiligen CO₂eq-Intensität multipliziert. Die resultierenden Emissionen werden anschließend mit den mittleren Emissionen auf Basis des Energieverbrauchs und der mittleren CO₂eq-Intensität verglichen.
Grenzen, Anwendungspotenzial und Skalierbarkeit
Die vorgeschlagene Methode C quantifiziert ausschließlich die Wirkung eines energieflexiblen Betriebs – nicht jedoch die Effekte intelligenter Effizienzsteigerungen oder bedarfsorientierter Regelstrategien. Letztere könnten näherungsweise durch einen Vergleich mit dem im Energieausweis angegebenen Endenergiebedarf abgeschätzt werden.
Bei der Messung im Realbetrieb wird nicht erfasst, welche Systeme konkret zur beobachteten Wirkung beitragen oder welche Nebenwirkungen – etwa im Hinblick auf Komfort – auftreten. Es wird dabei angenommen, dass das bisher nachgewiesene Anpassungsvermögen einen pragmatischen Indikator für die zukünftige Flexibilität darstellt.
Durch eine freiwillige Veröffentlichung der Ergebnisse auf einer offenen Datenplattform könnten diese insbesondere Aggregatoren und Energiegemeinschaften bei der Identifikation interessierter und geeigneter Teilnehmer unterstützen und damit die Entwicklung eines Marktes für Flexibilitätsanwendungen fördern.
Die bestehende EU-Methodik richtet sich primär an große Nichtwohngebäude. Der hier vorgestellte Ansatz ist hingegen auch für kleinere Gebäude aller Nutzungskategorien geeignet und kann dadurch die Teilnehmerbasis erweitern, die verfügbare Lastflexibilität erhöhen und deren Verteilung im Netz homogenisieren.
Neben der Stromproblematik begrenzt insbesondere im ländlichen Raum die Spannungsproblematik die Nutzung erneuerbarer Energien. Richtig eingesetzt können intelligente Maßnahmen im kleinen Maßstab überproportionale Wirkung entfalten, indem sie Netzausbaukosten senken und die Integration erneuerbarer Energien verbessern.
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[1] Richtlinie (EU) 2024/1275 verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32024L1275, abgerufen am 31.10.2025
[2] Final report on the technical support to the development of a smart readiness indicator for buildings, verfügbar unter: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/bed75757-fbb4-11ea-b44f-01aa75ed71a1/language-en, abgerufen am 31.10.2025