Das EU-Projekt INFINITE erprobt innovative, vorgefertigte Fassadensysteme für die energetische Gebäudesanierung im digitalen Zeitalter. Im Fokus: modulare Holzrahmenbausätze mit grünen, thermisch aktiven oder solarbetriebenen Elementen. Reale Messungen zeigen eindrucksvolle Temperaturvorteile – besonders bei der GREEN-Fassade mit natürlicher Verdunstungskühlung.
Text Dipl.-Ing. Susanne Formanek, GRÜNSTATTGRAU Forschungs- und Innovations GmbH
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INFINITE – Industrialisierte und digital unterstützte Sanierungslösungen im bauphysikalischen Praxistest

Abbildung 1: Mock-up „FlexiLab“ © Eurac Research
Das EU-geförderte Projekt INFINITE (Nr. 958397), initiiert im Rahmen des Programms „Horizon 2020“, verfolgt mit dem Konzept der „Renovation 4.0“ die Integration von digitalisierten Planungs- und Fertigungsprozessen in die energetische Bestandsmodernisierung. Im Zentrum stehen vorgefertigte All-in-One-Bausysteme, die neben wirtschaftlichen Kriterien auch bauphysikalisch relevante Aspekte wie thermische Hülle, Wärmespeicherung und Feuchteschutz optimieren sollen.
Sowohl Lebenszykluskosten (LCC) als auch Lebenszyklusanalysen (LCA) wurden in allen Phasen – von der Planung bis zum Betrieb – systematisch erfasst.
Entwickelt wurden fünf vorgefertigte, industriell skalierbare Fassadensysteme auf Basis einer modularen Holzrahmenbauweise. Diese werden als Mock-ups sowie im realen Gebäudebestand an verschiedenen europäischen Standorten unter realitätsnahen Bedingungen erprobt. Die Systemvarianten beinhalten:
- Begrünte, bauphysikalisch aktivierte Fassaden (GREEN) mit positiver Wirkung auf Strahlungs- und Konvektionseinträge
- Luft- und energietechnische Versorgungseinheiten
- Adaptive Fenster- und Verglasungssysteme
- Photovoltaik-Module in Gebäudeintegration (BIPV)
- Solarthermische Systeme zur Wärmebereitstellung (BIST)
Zur messtechnischen Validierung wurde am Standort Eurac Research das Außenlabor „FlexiLAB“ realisiert (siehe Abb. 1). Hier wurden Installationsaufwand, Betriebssicherheit, Wartungsanforderungen sowie die bauphysikalischen Kennwerte der Fassaden unter realen Witterungsbedingungen langzeitüberwacht. Die Versuchsdauer reicht von August 2022 bis heute.
Ein besonderer Fokus liegt auf dem thermischen Vergleich zwischen der begrünten Fassadenvariante (GREEN) und dem solarthermischen System (BIST). Die Oberflächentemperaturmessungen an einem der heißesten Tage des Jahres (Abb. 2) zeigen differenzierte Ergebnisse: An der südlichen Holzrahmenstruktur, rückseitig zum Lüftungsspalt, wurde eine maximale Temperaturdifferenz von bis zu 11 °C festgestellt; an der Ostfassade bis zu 10 °C. Die Rückseite der Fassadenbekleidung (BC) wies Temperaturdifferenzen von bis zu 18 °C (Süd) bzw. 14 °C (Ost) gegenüber dem Vergleichswert auf.

Abbildung 2: Süd- und Ost- orientierte tägliche Temperaturveränderungen von der Oberflächentemperatur an der Holzrahmenkonstruktion (WS – Wood structure) und der Rückseite der vorgehängten Fassade (BC – backside cladding), sowie der Außenlufttemperatur (© Eurac Research)
Besonders auffällig ist das thermisch regulierende Verhalten der GREEN-Fassade: Diese lag tagsüber konstant unterhalb der Außentemperatur (Temp_EXT), was auf den positiven Einfluss latenter Verdunstungskühlung sowie einer reduzierten solaren Absorption durch die Vegetation zurückgeführt werden kann. In der Nacht hingegen zeigte sich ein gegenteiliger Effekt – mit höheren Oberflächentemperaturen im Vergleich zur BIST-Fassade, was auf eine reduzierte Wärmeabstrahlung durch die Begrünung hindeutet.
Die in INFINITE entwickelten Sanierungsbausätze werden im nächsten Schritt in Pilotprojekten in Frankreich, Italien und Slowenien eingesetzt. Ziel ist es, die bauphysikalische Leistungsfähigkeit über ein Jahr hinweg unter realen Nutzungsbedingungen detailliert zu monitoren und weiterzuentwickeln.