Neben der Reduktion von Flächenversiegelung von Agrarflächen spielt die Entsiegelung von urbanen Flächen eine wichtige Rolle für die Bewohnbarkeit von europäischen Städten bei höheren Sommertemperaturen. Die blau-grüne Infrastruktur mit verschiedenen Schwammstadt-Lösungen auf Dächern, Straßen und Grünflächen helfen Überflutungen zu vermeiden und Wasser für die Vegetation zur Verfügung zu stellen. Durch Beschattung und Verdunstung entsteht eine Kühlwirkung bei gleichzeitiger Einsparung von Gießwasser. Dies stellt eine wichtige Aufgabe für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft dar – mit positiven sozialen und ökologischen Effekten für Städte und deren Bewohner.

Text Christian Vondrus

„Bauen ist immer ein Kampf gegen das Wasser in verschiedenen Aggregatzuständen“ – so die Erkenntnis der Bauphysik. Aber gegen das Wasser und gegen die Natur werden wir den Kampf langfristig immer verlieren. Die Technik muss diese Aufgabe mit dem Wasser umsetzen. Hier kommen die Lösungen einer „blau­grünen Infrastruktur“ ins Spiel. Gebäude- und Stadtplanung wurden Jahrtausende im Einklang mit dem Wasser gebaut – da keine anderen technischen Lösungen zur Verfügung standen – als Selbstschutz gegen einen Überschuss an Wasser, Schnee, Eis und zur Sicherung der Ernährung und Wasserversorgung durch Wasserspeicherung in Retentionsbecken.

Wikipedia-Definition „blau-grüne Infrastruktur“

Grüne Infrastruktur, auch blau-grüne Infrastruktur genannt, beschreibt ein strategisch geplantes Netzwerk natürlicher und naturnaher Flächen mit unterschiedlicher naturräumlicher Ausstattung auf verschiedenen Maßstabsebenen. Der Begriff wurde in den 1990er Jahren in den Vereinigten Staaten geprägt. Das innovative Konzept sollte Antworten auf die mit dem starken Flächenwachstum der amerikanischen Städte verbundenen Umweltprobleme geben. Neben ökologischen, soziokulturellen, ästhetischen und ökonomischen Aspekten werden vielfältige gesellschaftspolitische Ziele wie Klimawandel, Biodiversität oder sozialer Zusammenhalt in das Konzept integriert.

Grundsätzlich wird im Rahmen der Implementierung grüner Infrastruktur eine nachhaltige Nutzung der Natur angestrebt. Grüne Infrastruktur steht konzeptionell Konzepten von grauer und brauner Infrastruktur gegenüber und bietet gerade zur rein zweckgebundenen grauen Infrastruktur eine kostengünstige und beständige Alternative.

Versiegelung – Entsiegelung

Nicht Natur­adäquate Baumaßnahmen der letzten 100 Jahre führten zu unserer heutigen Problemstellung der kritischen Flächenversiegelung einerseits und der notwendigen Nachverdichtung in und rund um Ballungsräume andererseits. Dabei beschreibt das sperrige Kunstwort Nachverdichtung hier nicht das eigentliche Ziel. 

Die öffentliche Diskussion zur Reduktion der Flächenversiegelung (Flächenfraß) wird hauptsächlich mit dem Argument der verlorenen Agrarflächen (Ernährungssicherheit) und der Umwidmung von Grünland in Bauland geführt. Mehr nutzbarer Lebensraum auf bereits versiegelten Flächen und die Entsiegelung von ungenützten Flächen bzw. keine Neuversiegelung von Naturflächen ist anzustreben.

Die Entsiegelung und die Aufgaben einer blau­grünen Infrastruktur spielen jedoch eine wichtige Rolle für verschiedene Zielsetzungen:

  • Reaktion auf Klimawandel (Starkregenereignisse und lange Trockenperioden)
  • Lokaler Ãœberflutungsschutz, Versickerung und Wasserretention
  • Dotierung des Grundwassers (gegen fallende Grundwasserspegel)
  • Regenwasser­Speicherung zur Einsparung von Trinkwasser für die künstliche Bewässerung
  • Verfügbarmachung von Regenwasser für die Vegetation bei versiegelten Flächen
  • Entschärfung von „Urban Heat Islands“ durch die Beschattung und Verdunstung durch Bäume
  • Sozial wertvolle Begegnungszonen für die Bewohner (grüne Lunge von Städten)
  • Erhöhung der Biodiversität

Damit leistet eine blau­grüne Infrastruktur einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung aller sechs Umweltziele der EUTaxonomie­Verordnung bei Gebäuden und im Städtebau. Deren Umsetzung ist auch auf Ebene der Bundesländer bereits verankert: zum Beispiel das Regenwassermanagement der MA 22 in Wien und der Regenwasserplan des Landes NÖ, welche Vorgaben für die Planung und Beispiele für deren Umsetzung geben.

Die Baupraxis versteht unter Wassermanagement jedoch meist nur die Nutzung von Regenwasser als Brauchwasser für Toiletten und Waschmaschinen und die Ableitung von Oberflächenwässer in Kanäle, Zisternen und Sickerschächte (graue Infrastruktur). Die Planung des Regenwassermanagements als blau­grüne Infrastruktur erfolgt durch Kulturtechniker (Wasserplaner) bei der Auslegung der Außenflächen und einer etwaigen Gebäudebegrünung.

Schwammstadtlösungen

Unter dem Sammelbegriff „Schwammstadt“ werden verschiedene Maßnahmen zur Wasserretention im urbanen Bereich bezeichnet – auf Dächern, Fassaden, Grünflächen, Straßen und Plätzen. Für die Wasserbevorratung speziell für Bäume und Sträucher kommen erprobte Substrate zur Entwässerung von Plätzen, Straßen, Parkplätzen, wie das System DrainGarden©, zum Einsatz, welche Oberflächenwässer schnell versickern, filtern und große Wassermengen speichern. Diese können u.a. anstelle von Sickermulden ausgebildet werden und schaffen nutzbare, beschattete Grünflächen mit hoher Biodiversität.

Um die sofortige Ableitung von Oberflächenwasser zu verhindern und die Dotierung des Grundwasserreservoirs zu ermöglichen, wird in den meisten Bundesländern die Versickerung des Regenwassers auf Eigengrund und die Wasserretention auf Gründächern gefordert.

Für den Wasserrückhalt auf Gründächern (Retentionsdächer) werden erprobte Speichersubstrate mit unterschiedlicher Wasserkapazität und auch Lösungen mit automatisch gesteuertem Wassermanagement angeboten.

Um die Zerstörung der Dachabdichtung durch das Wurzelwachstum zu verhindern, sollten bei Gründächern immer Biozid- bzw. Pestizid­freie Wurzelschutzbahnen mit mechanischem Wurzelschutz eingesetzt werden. Wurzelgifte werden über viele Jahre aus den Folien ausgespült und belasten Grundwasser und Kläranlagen und bei lokaler Versickerung auch den eigenen Grund für viele Jahre. Dazu stehen Lösungen verschiedener Anbieter zur Verfügung.

Produkte mit einer Bautechnischen Zulassung durch das OIB ermöglichen auch bei intensiver Begrünung einen Aufbau mit nur zwei Abdichtungslagen, wo ansonst drei Lagen mit chemischen Wurzelschutz ausgeführt werden müssten. Das spart Geld und entlastet die Umwelt durch den Verzicht auf umweltschädliche Substanzen – eine echte Win­Win­Situation für Mensch und Natur.

Resümee

Lösungen der blau­grünen Infrastruktur leisten damit wichtige Beiträge für alle sechs Umweltziele der EU-Taxonomie, ermöglichen zusätzliche Ökopunkte bei Gebäude­Zertifizierungen, schaffen sozial und ökologisch wertvolle Lebensräume und stellen eine bedeutende Aufgabe für den Städtebau und die Bauwirtschaft dar.