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Die Europäische Union hat die nachhaltigere Gestaltung des Gebäudesektors und damit den Übergang zu energieeffizienteren, klimafreundlicheren Bauweisen zum Ziel gesetzt. Große Herausforderung stellt dabei die Finanzierung dar. Hier setzt das EU-LIFE-Forschungs- und Entwicklungsprojekt SMARTER Finance for EU (Smarter4EU) an, das die Autorin als Mitglied des Advisory Boards aktiv begleitet.

Text FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Anna-Vera Deinhammer,  ÖGNI – Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft

Green Homes Accredited Finance Professional: Kapazitätsaufbau im Smarter4EU-Projekt

Die Europäische Union hat die nachhaltigere Gestaltung des Gebäudesektors und damit den Übergang zu energieeffizienteren, klimafreundlicheren Bauweisen zum Ziel gesetzt. Dies wird insbesondere durch die Renovation Wave-Strategie der EU unterstrichen, die eine umfassende Sanierung und Dekarbonisierung des europäischen Gebäudebestands bis 2050 anstrebt[1]. Eine große Herausforderung stellt dabei die Finanzierung dar: Die Entwicklung geeigneter „grüner“ Finanzprodukte und das gestiegene Bewusstsein der Bevölkerung bezüglich nachhaltigem Bauen und Sanieren sind zentrale Erfolgsfaktoren für die bevorstehende Transformation im Wohnbau.

Hier setzt das EU-LIFE-Forschungs- und Entwicklungsprojekt SMARTER Finance for EU (Smarter4EU) an, das die Autorin als Mitglied des Advisory Boards aktiv begleitet. Es baut auf den Erkenntnissen des Vorgängerprojekts SMARTER Finance for Families (SFFF) auf und entwickelt auf dieser Basis neue Maßnahmen. Im Mittelpunkt steht die Verbindung zertifizierter energieeffizienter Wohngebäude (Green Homes) mit attraktiven Finanzierungsangeboten aus dem Bereich der grünen Hypothekarkredite (Green Mortgages). Auf diese Weise sollen Investitionen in Nachhaltigkeit besser abbildbar und für Finanzinstitute bewertbar werden. Bereits im Rahmen des Vorgängerprojekts wurden über 37.000 neue Wohneinheiten in Europa mit einem Projektvolumen von mehr als 10,3 Mrd. Euro realisiert – an diese Erfolge soll Smarter4EU anknüpfen[2].

Ein zentrales Ergebnis der bisherigen Arbeiten ist die bestätigte Annahme, dass eine echte grüne Transformation nur dann gelingt, wenn breite Kreise der Bevölkerung Interesse an entsprechenden Angeboten zeigen. Vor diesem Hintergrund besteht das wichtigste Ziel von Smarter4EU im Bereich Kapazitätsaufbau und Politikberatung darin, die wesentlichen Akteur:innen – also Banken, Baufirmen, Projektentwickelnde, Investierende, Anbietende grüner Bauprodukte, Kommunalverwaltungen sowie Bürgerinnen und Bürger – mit Wissen und Werkzeugen auszustatten. Grüne Finanzierungsansätze sollen so besser verstanden und dadurch vermehrt nachgefragt und aktiver unterstützt werden.

Der große Mehrwert liegt in der Kombination der Erkenntnisse aus dem SFFF-Projekt mit den Erfahrungen der Implementierungspartner – also jener Organisationen, die bereits Green Homes & Green Mortgages-Programme (GHGM-Programme) betreiben und begleiten. Da viele Herausforderungen der grünen Transformation auf komplexen Wechselwirkungen beruhen, in denen verschiedene Gruppen wechselseitig voneinander abhängig sind, ist ein breit angelegter Kapazitätsaufbau von zentraler Bedeutung. Vielleicht lässt sich so der aktuelle Stillstand durchbrechen.

 

GHGM-Programme und ihr Mehrwert

Angesichts steigender Energiepreise, ambitionierter Klimaschutzziele und wachsender Anforderungen an die Wohn- und Bauqualität erfahren Green Homes & Green Mortgages-Programme (GHGM-Programme) zunehmende Aufmerksamkeit. Diese Initiativen kombinieren maßgeschneiderte Finanzierungsprodukte mit hoch energieeffizienten Wohnbauprojekten – deren Qualität (bzw. die des zu finanzierenden Vorhabens) jeweils belegt werden muss.

Diese Programme stellen einen mehrfachen Nutzen („quadruple win“) für alle Beteiligten dar: Banken, Bauwirtschaft, Immobilienkäufer:innen und die Gesellschaft insgesamt profitieren gleichermaßen:

  • Finanzielle Stabilität und Nachhaltigkeit: Banken verzeichnen bei energieeffizienten Gebäuden ein geringeres Kreditausfallsrisiko. Hauskäufer:innen und -eigentümer:innen profitieren von niedrigeren Betriebskosten, wodurch die Rückzahlung von Krediten zuverlässiger erfolgen kann. Gleichzeitig erfüllen Banken regulatorische Anforderungen wie etwa die Green Asset Ratio der Europäischen Bankenaufsicht.
  • Energieeffizienz und Versorgungssicherheit: Ein niedriger Energiebedarf bedeutet geringere Abhängigkeit von Energieimporten und trägt zur Versorgungssicherheit bei.
  • Bauqualität und Komfort: Höhere Bauqualität zeigt sich im Wohnkomfort – sei es durch ein besseres Raumklima, geringere Geräuschbelastung oder die Verwendung CO2-reduzierter Materialien.
  • Gesundheit und Umwelt: Grüne Gebäude setzen nach Möglichkeit schadstoffarme Materialien ein und optimieren die Luftqualität, was zu besserer Gesundheit und Lebensqualität führt. Gleichzeitig werden Ressourcen geschont und COâ‚‚-Emissionen reduziert.

Die vierfachen Vorteile dieser Programme verdeutlichen, dass Green Homes und entsprechende Finanzierungen einen ganzheitlichen Mehrwert erzeugen. Dennoch reagieren viele Beteiligte noch zurückhaltend – etwa aufgrund mangelnden Wissens, fehlender Erfahrung oder Unsicherheit gegenüber neuen Produkten.

Hintergrundinformationen über Hindernisse bei der Umsetzung von GHGM-Programmen und mögliche Lösungsansätze erfahren Sie in Teil 2 der Reihe…

[1] Europäische Kommission (2020). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:52020DC0662
[2] Smarter Finance for EU (2024a). https://www.smarterfinance4.eu/