Die neue OIB-Richtlinie 6 steht kurz vor dem Abschluss – früher als geplant, aber notwendig wegen europäischer Vorgaben. Nach über 100 Sitzungen und 326 Stellungnahmen zeigt sich: Harmonisierung braucht Dialog, Geduld und Fachverstand. Bis Mai 2026 soll sie in Landesrecht überführt werden – ein Kraftakt zwischen EU, Technik und Baupraxis.
Text Österreichisches Institut für Bautechnik
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Einblicke aus der letzten Phase einer komplexen Abstimmung
Nach vielen Monaten intensiver Arbeit nähert sich die Überarbeitung der OIB-Richtlinie 6 (Energieeinsparung und Wärmeschutz) dem Abschluss. Der Entwurf ist inhaltlich weitgehend abgestimmt. Hunderte Stellungnahmen wurden in einem mehrwöchigen Anhörungsverfahren geprüft, diskutiert und – wo sinnvoll – eingearbeitet. Was auf den ersten Blick wie ein nüchterner Verwaltungsakt wirkt, war in Wahrheit ein vielschichtiger Abstimmungsprozess.
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Warum schon jetzt – und nicht erst 2027?
Tatsächlich war die nächste Überarbeitung der OIB-Richtlinie 6 planmäßig erst für 2027 vorgesehen. Doch die Überarbeitung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD), deren Umsetzung bis Mai 2026 zu erfolgen hat, machte ein rascheres Handeln erforderlich. Ziel war es, Österreichs baurechtliche Anforderungen frühzeitig auf den kommenden europäischen Rahmen auszurichten und den Bundesländern ausreichend Zeit zu geben, die Inhalte der OIB-Richtlinie 6 in ihre Landesgesetze aufzunehmen.
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Zwischen Norm, Praxis und Ideal
In mehr als 100Sitzungen wurde von den Mitgliedern des Sachverständigenbeirats zur OIB-Richtlinie 6 – bestehend aus technischen Fachleuten aller österreichischen Bundesländer – intensiv an den Formulierungen der Richtlinie gefeilt.
Um für Praxisnähe und technische Machbarkeit zu sorgen, finden zahlreiche, von der österreichischen Organisation für Standardisierung und Innovation (ASI) herausgegebene Normen in der OIB-Richtlinie 6 ihren Niederschlag. Nicht zuletzt, da in den für die Erstellung von Normen zuständigen Komitees zahlreiche Interessengruppen und Wirtschaftsakteure agieren.
Über den aktuellen Entwicklungsstand bei der Erarbeitung sowie die damit verbundenen Rahmenbedingungen und Herausforderungen wurden die betroffenen Stakeholder in mehreren Live- und Online-Workshops informiert.
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Begutachtung und Weichenstellung
Am 30. April 2025 endete der abschließende Begutachtungsprozess zur OIB-Richtlinie 6, im Zuge dessen 75 Stakeholder – bestehend aus Institutionen, NGOs, Bundesländervertretern und Behörden – eingeladen waren, Änderungsvorschläge zum Richtlinienentwurf inklusive Begründungen dafür einzubringen. Wer diese Stakeholder sind, ist in der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Harmonisierung bautechnischer Vorschriften klar geregelt.
Eines eint die zahlreichen Stakeholder-Gruppen: deren Unterschiedlichkeit. Dies zeigte sich nicht zuletzt an der Vielzahl der Änderungsvorschläge zum Entwurf der Richtlinie. Über das eigens dafür geschaffene Online-Tool des OIB erreichten den Sachverständigenbeirat im rund 2-monatigen Zeitraum des Anhörungsverfahrens insgesamt 326 schriftliche Einzelstellungsnahmen. 178 davon entfielen auf Landesregierungen der Bundesländer und 148 auf sonstige Stakeholder.
Dass der Weg zum kleinsten und dennoch sinnvollsten Nenner kein leichter ist, zeigte das abschließende Kontakt-Forum am 20. Mai 2025. Im Zuge der Veranstaltung konnten die anwesenden Stakeholder letztmals auf die einzelnen Punkte der OIB-Richtlinie eingehen und ihre Änderungsvorschläge präsentieren.
Ein Teilnehmer einer Arbeitsgruppe meinte dazu: „Es ist beeindruckend, wie viele Perspektiven zusammenkommen – und wie konstruktiv trotz aller Unterschiede gearbeitet wird.“  Um ein für alle Parteien gangbares Ergebnis zu erzielen, hält sich der Sachverständigenbeirat bei der Erstellung der Richtlinie und Einarbeitung von Änderungsvorschlägen strikt an die EU-Vorgaben, die hier als einendes Minimum agieren. Darüber hinaus hat jedes Bundesland im Nachgang – bei der Implementierung der OIB-Richtlinie 6 in dessen Baurecht – die Möglichkeit, Ausnahmen zu bestimmen. Dies geschieht allerdings äußerst selten, um dem Grundgedanken der Harmonisierung im Bauwesen durch die OIB Richtlinien nicht entgegen zu wirken.
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Wie geht es weiter?
Der finale Entwurf der Richtlinie wird derzeit redaktionell überarbeitet und für die Veröffentlichung vorbereitet. Parallel dazu laufen die Planungen und weitere Anhörungsverfahren weiterer für die Umsetzung der europäischen Vorgaben notwendige Dokumente (wie etwa den nationalen Gebäuderenovierungsplan gemäß Richtlinie (EU) 2024/1275). Die Umsetzung der Richtlinie 6 durch die Bundesländer in ihren bautechnischen Verordnungen und deren Notifizierung hat dann bis zum Mai 2026 zu erfolgen.
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Ein Blick zurück – und nach vorn
Die bald fertige Richtlinie ist nicht nur ein technisches Dokument, sondern auch Ausdruck eines Prozesses: eines Ringens um Verständlichkeit, Klarheit und Umsetzbarkeit. Dass dieser Weg nicht geradlinig war, macht das Ergebnis umso robuster. Was bleibt, ist das gute Gefühl, einen tragfähigen Konsens gefunden zu haben – getragen von Fachexpertise, rechtlichen Grundlagen und Bedacht auf Praxisnähe.