Folge 2:
Stillstand im grünen Wohnbau entsteht, wenn alle auf den ersten Schritt der anderen warten. Das GHAFP-Programm setzt genau hier an – mit Weiterbildung für alle Beteiligten gleichzeitig. So entsteht Koordination statt Passivität – und der Weg ist frei für nachhaltige Lösungen.
Dies ist Folge 2 der 2-teiligen Serie „Green Homes Accredited Finance Professional: Kapazitätsaufbau im Smarter4EU-Projekt“.
Zum ersten Teil gelangen Sie hier.
Text FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Anna-Vera Deinhammer,  ÖGNI – Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft
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Koordination statt Abwarten – ein neuer Ansatz
Ein wesentliches Hindernis bei der Umsetzung erfolgreicher GHGM-Programme zeigt sich in einem klassischen Entscheidungsdilemma: Banken, Projektentwickelnde, Käufer:innen und andere Beteiligte erwarten jeweils, dass andere Akteur:innen zuerst handeln. Dieses gegenseitige Abwarten führt zu Stillstand. Banken erweitern ihr Kreditangebot nur, wenn entsprechende Nachfrage besteht. Käufer:innen zögern Investitionen in Effizienzmaßnahmen hinaus, wenn keine passenden Finanzierungen verfügbar sind. Projektentwickelnde setzen nachhaltige Standards nur um, wenn Markt und Banken die Vorteile aktiv anerkennen. Dadurch entsteht ein Kreislauf gegenseitiger Passivität.
Smarter4EU entwickelt deshalb ein umfassendes Weiterbildungsangebot, das alle relevanten Gruppen gleichzeitig erreicht. So entsteht ein gemeinsames Verständnis über Anforderungen, Chancen und Synergien bei der Realisierung grüner Wohnbauprojekte. Bereits im Rahmen der Energy Efficiency – Financial Institutions Group (EEFIG) – einer Partnerschaft zwischen der UNEP Finance Initiative und der Europäischen Kommission, auf die aktuell die European Energy Efficiency Financing Coalition (EEEFC)[1] aufbaut – zeigte sich, dass Finanzwirtschaft, Immobilienwirtschaft und Bausektor nicht dieselbe Sprache sprechen; verschiedene Gruppen verfügen über spezialisiertes Wissen, verfolgen aber unterschiedliche Interessen. Durch gemeinsame Schulungskonzepte werden diese Gräben überwunden. Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen entwickeln so ein gemeinsames Verständnis – und ein gemeinsames Ziel.
Beispiele verdeutlichen diesen Ansatz:
- Architekt:innen erhalten Werkzeuge, den finanziellen Mehrwert ihrer Entwürfe nachvollziehbar darzustellen.
- Projektentwickelnde können den Gesamtwert grüner Gebäude plausibel machen – etwa durch Lebenszykluskostenvergleiche.
- Banker:innen lernen, wie energieeffiziente Wohnbauten das Risiko im Kreditportfolio senken und gleichzeitig regulatorische Vorgaben besser erfüllen.
Diese systematische Weiterbildung stärkt das gegenseitige Verständnis und ermöglicht konkrete Zusammenarbeit.
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Green Homes Accredited Finance Professional (GHAFP)
Im Zentrum steht das Green Homes Accredited Finance Professional-Programm (GHAFP-Programm) – ein Weiterbildungsangebot mit Abschlusszertifikat, das speziell für Fachleute aus Finanzwesen und Immobilienwirtschaft entwickelt wurde. Zielgruppen sind Analyst:innen, Marketingverantwortliche sowie Entscheidungsträger:innen, die mit „grüner“ Wohnbauförderung bzw. „grünen“ Finanzierungsprodukten in Berührung kommen[2]. Absolvent:innen des Programms erhalten das Rüstzeug, nachhaltige Wohnprojekte zu bewerten, Kund:innen kompetent zu beraten und die Vorteile grüner Finanzierung überzeugend darzustellen[3].
Das Programm besteht aus zehn Modulen – eine Kombination aus neu entwickelten Kursen und bereits bestehenden Lerneinheiten aus dem Netzwerk der Projektpartner[4]. Der modulare Aufbau erlaubt es, den Kursumfang flexibel zu gestalten. Jede Einheit behandelt praxisnahe Fragestellungen, etwa zu Bewertungskriterien für grüne Gebäude, zu regulatorischen Rahmenbedingungen oder zu Strategien zur Vermarktung grüner Bauvorhaben.
Die neuen Kursinhalte behandeln unter anderem folgende Themen:
- Besonderheiten der Kreditvergabe für grüne Wohnprojekte
- Vermarktung nachhaltiger Wohnangebote
- Entwicklung grüner Sanierungskredite
- Nachhaltige Bewertung und Steuerung von Kreditportfolios
Ergänzt werden diese Themen durch bestehende Module aus den Bereichen:
- Finanzielle Grundlagen nachhaltiger Gebäude
- Zertifizierungen, EU-Taxonomie und regulatorische Vorgaben
- Ressourcenschonendes Bauen und Materialwahl
- Projektmanagement für grüne Bauvorhaben
- Grundprinzipien nachhaltiger Gestaltung
- Kreislaufwirtschaft im Gebäudesektor
Damit erhalten die Teilnehmer:innen eine fundierte Weiterbildung, die technische, wirtschaftliche und strategische Aspekte gleichermaßen behandelt. Die Kursinhalte lassen sich flexibel an lokale Märkte anpassen – sie können zudem eine Basis für die gegenseitige Anerkennung der Qualifikation auf europäischer Ebene bilden. Aktuell befindet sich das beschriebene Ausbildungsprogramm in einer Pilotphase; an der schrittweisen Ausrollung in den EU-Mitgliedstaaten wird gearbeitet. Dafür müssen geeignete nationale Trägerorganisationen gewonnen oder Konsortien gegründet werden. In Österreich ist die Autorin dieses Artikels damit befasst und bindet derzeit interessierte Institutionen in die Testphase ein.
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Conclusio
Die nachhaltige Transformation des Gebäudesektors verlangt – flankierend zu technischen Innovationen – gut ausgebildete Fachkräfte entlang der gesamten Stakeholder-Kette. Hier setzt das GHAFP-Programm an: Es vermittelt praxisnahes Wissen an zentrale Akteur:innen und unterstützt deren aktive Rolle in einem veränderten Marktumfeld. Der Kapazitätsaufbau sorgt dafür, dass sich alle Beteiligten besser orientieren können, geeignete Entscheidungen treffen und Innovationen vorantreiben.
Programme wie GHAFP zeigen, dass Qualität, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit im Bauwesen miteinander vereinbar sind – und dass Weiterbildung eine zentrale Voraussetzung für Fortschritt darstellt. Die Erfahrungen aus Smarter4EU liefern wichtige Impulse für nationale und europäische Strategien in den Bereichen Green Finance und nachhaltiges Bauen.
[1] Europäische Kommission (o.J.). https://energy.ec.europa.eu/topics/energy-efficiency/financing/european-energy-efficiency-financing-coalition_en
[2] Smarter Finance for EU (2024b). https://www.smarterfinance4.eu/education
[3] Smarter Finance for EU (2024b).
[4] Smarter Finance for EU (2024b).
Literaturverzeichnis
Europäische Kommission. (2020). A Renovation Wave for Europe – Greening our buildings, creating jobs, improving lives (Mitteilung KOM(2020) 662 final). Brüssel: Europäische Kommission.
Europäische Kommission (o.J.). European Energy Efficiency Financing Coalition. Abgerufen am 22. April 2025 von https://energy.ec.europa.eu/topics/energy-efficiency/financing/european-energy-efficiency-financing-coalition_en
Smarter Finance for EU. (2024a). Banking on green homes (Projekt-Website). Abgerufen am 16. April 2025 von https://www.smarterfinance4.eu/
Smarter Finance for EU. (2024b). The Green Homes-Accredited Finance Professional programme (Projekt-Website). Abgerufen am 16. April 2025 von https://www.smarterfinance4.eu/education