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Interview

Auszug aus dem Interview zum Thema „Green Building – Wasserstoff“

 

Interviewpartner: Günther Schwabegger, Vorstandsmitglied der Brandverhütungsstelle für Oberösterreich, und Martin Beermann, stellvertretender Forschungsgruppenleiter in der JOANNEUM RESEARCH ForschungsGmbH.  

 

Robert Stadler (OIB): Ein batteriebetriebenes E-Auto kommt je nach Modell auf einen Wirkungsgrad von 70 bis 80 %. Beim wasserstoffbetriebenen E­Auto sind die Verluste deutlich größer: 45 % der Energie gehen bereits bei der Gewinnung von Wasserstoff durch die Elektrolyse verloren. Ist dies im Gebäudesektor ähnlich? Welche Vorteile hat Wasserstoff als Energiespeicher im Vergleich mit einer herkömmlichen Batterie?

Martin Beermann

Wasserstoff im Einzelgebäude als Stromspeicher ist, wie Sie richtig feststellen, mit erheblichen Umwandlungsverlusten verbunden. Das ist im Gebäudesektor grundsätzlich nicht anders wie im Verkehrssektor. Und mit einem Elektrolyseur für die Gewinnung von Wasserstoff allein ist es ja noch nicht getan, denn der Wasserstoff als Stromspeicher wird ja irgendwann wieder in Strom umgewandelt, wieder mit einem Wirkungsgrad von ca. 40 bis 50 % in einer Brennstoffzelle. Insgesamt gehen im System also ca. 75 bis 80 % der Energie als Strom verloren.  Ein Teil davon ist je nach Temperaturniveau zwischen 30 und 75 °C als Abwärme, zum Beispiel für Heizwärmeversorgung, nutzbar. Bei der stationären Lithium­Ionen­Batterie liegt der elektrische Wirkungsgrad mit Laden und Entladen bei rund 90 %.

Stromspeicher in Gebäuden werden meist mit dem Argument diskutiert, die Versorgung mit PV­Strom vom eigenen Dach, also die sogenannte Energieautarkie, zu erhöhen und damit vom Netz unabhängiger zu werden. Dieses Argument wird gerade zusätzlich befeuert durch aktuelle Meldungen zu drohenden Blackouts oder zu steigenden Strompreisen im Netz. …

 

Robert Stadler (OIB): Wasserstoff wird in Medienberichten immer wieder als der „Champagner unter den Energieträgern“ oder als „das Öl von morgen“ bezeichnet. Welche Probleme, aber auch Chancen sind mit diesen Zuschreibungen gemeint, und was bedeutet das für die breitflächige Einsetzbarkeit von Wasserstoff im Gebäudebereich?

Günther Schwabegger

Meiner Einschätzung nach wird die unzweifelhaft erforderliche Energiewende große Herausforderungen mit sich bringen und in einigen Feldern werden technologische und wissenschaftliche Durchbrüche erforderlich sein.

Neben den technischen Fragen gibt es aber auch soziale Herausforderungen, wie den sogenannten NIMBY­Effekt (englischsprachiges Akronym für „Not in my Backyard“), welcher bei der Herstellung erneuerbarer Energie zum Tragen kommt. Vielerorts hält sich die Freude über Windparks und großflächige Solaranlagen aus ästhetischen Gründen in Grenzen. Die Betroffenen wollen, dass solche Anlagen anderorts errichtet werden – nicht bei ihnen im „Hinterhof“.

Wasserstoff bietet für Politik und Gesellschaft einen potenziellen Ausweg, da die Produktion und der Verbrauch örtlich voneinander entkoppelt werden kann. Dies ist etwa aus der nationalen Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung abzuleiten. Es wird geschätzt, dass bis 2030 Energie aus Wasserstoff in einer Größenordnung von 100 TWh benötigt wird. Die geplanten Erzeugungskapazitäten sind im gleichen Dokument mit 14 TWh angesetzt, und die Differenz soll aus Importen gedeckt werden. Die Parallele zum aktuellen Umgang mit Erdöl ist augenscheinlich. …

Wasserstoff und darauf aufbauende chemische Energieträger werden in der Energiewende der nächsten Jahrzehnte eine wichtige Rolle spielen. Da aber Herausforderungen hinsichtlich der notwendigen Produktionsmengen bzw. Importe auf uns zukommen, wird es erforderlich sein, diesen wertvollen Rohstoff zielgerichtet einzusetzen. Damit ist die Zuschreibung „Champagner unter den Energieträgern“ aus meiner Sicht nachvollziehbar. Andererseits wird es aber spannend zu beobachten sein, ob es aus den genannten Gründen und daraus resultierend aus Kostengründen, zu einem großflächigen Einsatz des Energieträgers Wasserstoff im Gebäudesektor kommen wird.

Das gesamte Interview finden Sie in OIB aktuell, 4.2021