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Interview

Auszug aus dem Interview zum Thema „Änderung der Bauproduktenverordnung“

 

Interviewpartner: Gerhard Koch, Direktor des Verbandes Österreichischer Ziegelwerke, und Georg Matzner, Geschäftsführer des Österreichischen Stahlbauverbandes.  

 

Rainer Mikulits: Es gibt viel Kritik an der Normung, nicht zuletzt auch ausgelöst durch den „James-Elliott-Case“. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang den von den Kommissionsdiensten initiierten „Acquis-Prozess“ zum Screening der 444 bestehenden harmonisierten Normen für Bauprodukte?

Georg Matzner

Die Europäische Kommission (EC) sieht für alles, das in der BPV nicht funktioniert, CEN als den Schuldigen an, was leider völlig unzutreffend ist. Vielmehr trifft zu, dass die EC die Praxis der Erarbeitung der harmonisierten Normen nicht gemeinsam mit dem CEN aktiv steuert, woraus sich die bekannten Probleme ergeben. Die Entscheidung des EuGH (Europäischer Gerichtshof) zum James-Eliott-Case erlaubt es der EC unter diesem Vorwand, de facto keine Veröffentlichungen von fertiggestellten harmonisierten Normen vorzunehmen. Das wird häufig damit begründet, dass aufgrund der Entscheidung des EuGH in harmonisierten Normen nur mehr datierte Normenverweise enthalten sein dürfen. Das kann aber nicht funktionieren, weil laut CEN-Regeln Europäische Normen mindestens alle fünf Jahre überprüft und wenn nötig überarbeitet werden sollen, was aufgrund des technischen Fortschritts und der erforderlichen Einarbeitung von Forschungsergebnissen auch logisch ist. Wie soll man aber das starre System der EC mit dem dynamischen System von CEN zur Deckung bringen? Da muss sich die EC etwas einfallen lassen. Denn, wenn man ernst nimmt, dass nur gilt, was in der harmonisierten Norm erwähnt ist, inklusive zitierter datierter(!) Normen, dann folgt als Konsequenz, dass das CEN keinerlei, in harmonisierten Normen zitierte unterstützende Normen mehr ändern darf. Das bringt Pest oder Cholera…

 

Rainer Mikulits: Welche Wünsche oder Vorschläge haben Sie im Hinblick auf die anstehende Überarbeitung der Bauproduktenverordnung?

Gerhard Koch

Wie bereits erwähnt, funktioniert das aktuelle System aus unserer Sicht derzeit im Großen und Ganzen recht gut. Wir befürworten daher, dass die Bauproduktenverordnung im Wesentlichen so bleibt wie sie ist, oder nur sehr moderat überarbeitet wird. Jede tiefgreifende Änderung würde beträchtlichen Ressourcenaufwand – auch und insbesondere auf Seiten der Industrie – verursachen, was aus unserer Sicht absolut nicht sinnvoll und gerechtfertigt wäre.

Was aus unserer Sicht vereinfacht werden könnte (und sollte) ist das System der Leistungserklärung und CE-Kennzeichnung, das derzeit zu Doppelgleisigkeiten führt. In diesem Zusammenhang ist es aus unserer Sicht auch absolutes Gebot der Stunde, die elektronische Leistungserklärung einzuführen („Smart CE marking“). Auch die Marktüberwachung könnte wirkungsvoller gestaltet werden. Schließlich muss natürlich eine neue Bauproduktenverordnung die derzeitigen „weißen Flecken“ im Bereich der Deklaration von Nachhaltigkeitseigenschaften der Bauprodukte beseitigen, also insbesondere muss klargestellt werden, welche Informationen die Hersteller zu den Themen „Gesundheit, Hygiene und Umweltschutz“ bzw. zum Thema „Kreislaufwirtschaft“ zu deklarieren haben. Jedenfalls sind aus unserer Sicht bei der Deklaration von Nachhaltigkeitsaspekten von Baustoffen die Prinzipien der EN 15804, die im CEN TC 350 erarbeitet wurden, anzuwenden.

Der wichtigste Aspekt ist aber zweifellos, den derzeitigen Stillstand bei der Veröffentlichung von Europäischen Normen im EU-Amtsblatt so rasch als möglich zu beenden, um den Markt wieder mit den dringend benötigten technischen Spezifikationen versorgen zu können.

Das gesamte Interview finden Sie in OIB aktuell, 3.2021