Inhalt:
Interview
Auszug aus dem Interview zum Thema "Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft im Bauwesen"
Interviewpartner: Renate Scheichelbauer-Schuster, Bundesspartenobfrau des Handwerks und Gewerbes der WK, und Alexander Passer, Professor für Nachhaltiges Bauen an der TU Graz
Hubert Meszaros (OIB): "... Wie, denken Sie, könnte man in Bezug auf Bauprodukte die nachhaltige Nutzung einem breiten Publikum, also nicht nur den Herstellern und Planern, schmackhaft machen, und welche Methoden wären nötig, um den positiven Effekt davon nachvollziehbar zu machen?"
Renate Scheichelbauer-Schuster
Die Nachhaltigkeit von einzelnen Bauprodukten ist sehr viel schwieriger zu beurteilen, weil die gesamte Nachhaltigkeit eines Bauproduktes auf seinem Lebensweg betrachtet werden muss. Das heißt, es geht nicht nur um die physikalischen Eigenschaften des Bauproduktes im Bauwerk während seiner Verwendung, es geht auch um den „Rucksack“ bei der Herstellung sowie um die Verwertung oder Entsorgung nach der Nutzung. Diese Frage ist sehr komplex und es sind absolute Aussagen, ob bestimmte Produkte nachhaltig sind oder nicht, sehr mit Vorsicht zu genießen. Hier kommt es auf die Systemgrenzen an. Wenn Bauprodukte, die angeblich klimafreundlich sind, tausende Kilometer transportiert werden müssen, oder nicht recycelt werden können, muss dies in die Nachhaltigkeitsbewertung einfließen. Besonders problematisch wird es, wenn man versucht, Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Bauprodukten und in weiterer Folge an Gebäude zu stellen (z. B. CO2-Äquivalente). Hier greift man sehr schnell in den Wettbewerb der Bauprodukte ein, bevorzugt oder benachteiligt Bauprodukte scheinbar gerecht und schließt im schlimmsten Fall auch Bauprodukte vom Markt aus. Über die Betrachtung von Gebäuden während ihres gesamten Lebenszyklus gibt es bereits umfangreiche Untersuchungen und Forschungsprojekte. Dazu sind aber normalerweise sehr komplexe Untersuchungen notwendig, die wohl nicht für jedes Bauwerk erforderlich sind…
Alexander Passer
Aus meiner Sicht wurde an der Quantifizierbarkeit der Nachhaltigkeit seit Jahrzehnten mit großem Einsatz und Nachdruck gearbeitet. Beispiele sind hier das Rahmenwerk des CEN/TC 350, welches unter anderem eine jüngst überarbeitete Norm für die Bewertung auf Bauprodukt-Ebene zur Verfügung stellt (ÖNORM EN 15804, Ausgabe 15. Februar 2020). Umweltproduktdeklarationen oder die zahlreichen am Markt befindlichen Gebäudezertifizierungssysteme sind aber nicht die Lösung des Problems, sondern können nur das Format sein. Ergänzend braucht es dazu eine notwendige (verbindliche) Umsetzung.
Im Hinblick auf das von Ihnen angesprochene breite Publikum ist für mich festzustellen, dass mittlerweile sowohl die Daten als auch Hilfsmittel für Planende zur Verfügung stehen und sich vermehrt auch Auftraggeber den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet fühlen. „Schmackhaft machen“ können wir es allen Beteiligten nur, wenn es neben dem positiven Anreiz eine Handlungssicherheit für die Industrie, die Planenden und die Investoren sowie für potentielle Nutzer (auch für die öffentliche Hand) gibt. Anstatt möglicher Strafzahlungen in Milliardenhöhe könnten und sollten die Mittel für Klimaschutz und Nachhaltigkeit sinnvoll (vorausschauend) investiert werden.
Das gesamte Interview finden Sie in OIB aktuell, 1.2020