In Fachkreisen ist die Raumluftqualität in Bildungseinrichtungen schon lange ein wichtiges und viel diskutiertes Thema. Während der Pandemiejahre ist sie in Zusammenhang mit ihrem Einfluss auf Infektionsschutz und Gesundheitsförderung auch im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit und der Politik angekommen. Lernen braucht frische Luft.
Text Brigitte Rabl
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Einfluss der Raumluft
Unumstritten ist die Raumluftqualität ein wesentlicher Einflussfaktor auf unser Wohlbefinden. In Bildungseinrichtungen werden ihr aufgrund ihres mit Studien (z. B. [1, 2, 3, 4]) belegten Einflusses auf die Konzentrationsfähigkeit darüber hinaus sogar bessere Lehr- und Lernerfolge zugeschrieben.
Während der Covid-19-Pandemie ist die Raumluft in Zusammenhang mit luftgetragenen Infektionswegen in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und wird auch künftig in Hinblick auf Infektionsschutz und Gesundheitsförderung weiter Beachtung finden müssen. Die Qualität der Raumluft wird maßgeblich von der Höhe ihres CO2-Gehaltes, ihrer Temperatur und ihres Feuchtigkeitsgehaltes bestimmt. CO2 gilt dabei als wichtiger Indikator, da es sich einfacher messen lässt als andere flüchtige Substanzen, die von Personen und Gegenständen an die Raumluft abgegeben werden. Der maximal zulässige CO2-Gehalt ist somit ein ausschlaggebender Parameter für die Raumluftqualität. Bildungseinrichtungen stellen in diesem Zusammenhang eine besondere Herausforderung dar, da die CO2 Räumen mit hoher Personenbelegung innerhalb kürzester Zeit rapide ansteigt. Diese Problematik beschäftigt Expertenkreise und auch das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS) schon seit vielen Jahren und wird mit der zunehmenden Dichtheit der Gebäudehülle immer drängender.
CO2 und Frischluftzufuhr
Gemäß OIB-Richtlinie 3, Ausgabe 2023 [5], müssen Aufenthaltsräume „ausreichend gelüftet werden können“. Durch konkrete Zahlenwerte präzisiert wird diese Anforderung in der „Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft“ [6] des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sowie in den ÖISS-Richtlinien für den Bildungsbau [7]. Über einen definierten Beurteilungszeitraum hinweg ist bezüglich CO2-Konzentration in „Innenräumen für den dauerhaften Aufenthalt von Personen, in welchen geistige Tätigkeiten verrichtet werden bzw. die zur Regeneration1 dienen“, ein arithmetischer Mittelwert der Momentanwerte von < 1000 ppm2 anzustreben. Zu diesen Räumen zählen neben allen Bildungsräumen auch Arbeitsräume für Lehrpersonen, der Verwaltungsbereich, offene Lernzonen, Bibliotheken, Mehrzweckräume etc. Als allgemeiner Richtwert für Innenräume für den dauerhaften Aufenthalt von Personen gilt ein arithmetischer Mittelwert von < 1400 ppm. Bildungsspezifische Beispiele dafür sind Freizeiträume / Homebases, Aufenthaltsräume für Lehrpersonen und Personal, Räume für Sport und Bewegung, Speisesäle etc.
Will man diese Werte in voll besetzten Unterrichtsräumen ausschließlich mit manueller Fensterlüftung gewährleisten, so müsste man Studien [8] zufolge ungefähr alle zwanzig Minuten für fünf Minuten stoßlüften. Erfahrungen zeigen, dass sich ein derartig konsequentes Lüftungsverhalten in Bildungseinrichtungen nicht etablieren lässt. Die Gründe dafür sind vielfältig: mangelnde Sensibilisierung für das Thema, Störung des Unterrichts, Fragen der Aufsichtspflicht, Komfort- und Energieverlust in der kalten Jahreszeit, Lärmimmissionen bei offenem Fenster etc.
Aus diesem Grund decken sich in Fachkreisen die Meinungen, dass eine angemessene und hygienisch einwandfreie Raumluftqualität in Bildungseinrichtungen ohne raumlufttechnische Anlagen nur schwer zu erreichen ist. In der „heißen Phase“ der Pandemie war vor allem rasches Handeln gefragt, um die Bildungseinrichtungen wieder öffnen bzw. offen halten zu können. In Windeseile war der Markt überschwemmt mit einem unüberschaubaren Angebot an Produkten und Technologien, die allesamt postulierten, die jeweils besten zu sein. Erst im Nachgang konnten Forschungsprojekte mehr Klarheit über deren tatsächliche Effizienz verschaffen.
ÖISS-Richtlinien für den Bildungsbau
Reagierend auf die Pandemie wurden auch die raumluftrelevanten Angaben der ÖISS-Richtlinien für den Bildungsbau im ÖISS-Arbeitskreis „Schulraum“3 mit Unterstützung von einschlägigen Experten umfassend überarbeitet und im September 2023 im neuen Kapitel „Nachhaltigkeit, Energie, Raumklima und Haustechnik“ herausgegeben. Die Überarbeitung erfolgte in Abstimmung mit dem Arbeitskreis Innenraumluft des BMK und dem Gremium der ÖNORM H 6039 [9].
Die neue Richtlinienfassung enthält Angaben zur Bedeutung der Raumluft, zu Raumkonzepten und Personenverteilung, Nutzerverhalten, Lüftungskonzept, Infektionsschutz, CO2-Belastung in Innenräumen, Luftfeuchte, zur erforderlichen Außenluftzufuhr – auch für Sporthallen – sowie zur Sanierung und Nachrüstung von Bestandsgebäuden. Darüber hinaus werden die verschiedenen Lüftungsarten mit ihren Vor- und Nachteilen dargestellt und die technischen Anforderungen an mechanische Be- und Entlüftungsanlagen definiert, wie z. B. Angaben zu Wärme- und Feuchterückgewinnung, zur Energieeffizienz und zur maximalen Schallbelastung.
Die Richtlinie bezieht auch zu Raumluftreinigern Stellung, die immer wieder an Bildungseinrichtungen herangetragen und propagiert werden, da sie rasch und verhältnismäßig kostengünstig nachrüstbar sind. Diese Systeme können zwar in akuten Infektionssituationen helfen, die Aerosolpartikelkonzentration und damit die Virenbelastung im Raum rasch zu reduzieren, sind aber für Bildungseinrichtungen wenig geeignet, da sie ohne Frischluftzufuhr arbeiten und somit auch die CO2-Konzentration nicht reduzieren. Nähere Informationen zu Luftreinigungsgeräten bietet ein Positionspapier des BMK [10].
Umfassende Informationen zum Thema Raumluft in Bildungseinrichtungen sind darüber hinaus im „Positionspapier zu Lüftungserfordernissen in Bildungseinrichtungen“ des Arbeitskreises Innenraumluft des BMK zu finden [11].
Neuer Standard in Bundesschulen
Im Mai 2023 hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) die Entscheidung getroffen, Bundesschulen (AHS, BMHS) im Neubau generell mit mechanischen Be- und Entlüftungsanlagen auszustatten. Die in den ÖISS-Richtlinien [12] enthaltenen technischen Anforderungen an diese Anlagen sind für Bundesschulen bindend.
Das BMBWF ist allerdings nicht für den Bau und Erhalt der Pflichtschulen (Volks- und Mittelschulen) zuständig. Diese liegen überwiegend im Verantwortungsbereich der Gemeinden und basieren auf gesetzlichen Regelungender Länder. Auch die Privatschulen unterliegen diesbezüglich nicht den Regelungen des Bundes.
Hier wird weiterhin projektspezifisch entschieden, ebenso wie bei allen Sanierungsprojekten, wo die Nachrüstung abhängig ist von den baulichen, räumlichen und technischen Voraussetzungen (z. B. Raumhöhe) sowie den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Lüftungskonzept
Jedenfalls ist bei Neu-, Zu- und Umbauten von Bildungseinrichtungen ein Lüftungskonzept erforderlich [6, 12], aus dem sich die Art der zu planenden und auszuführenden Lüftungsstrategie für die jeweilige Raumnutzung ergibt. Lüftungskonzepte können auch die Kombination mehrerer zusammenwirkender Lüftungsmaßnahmen umfassen (z. B. mechanische Be- und Entlüftungsanlagen und zusätzliche Fensterlüftung in den Pausen).
Die Einhaltung der geforderten CO2-Werte sollte dabei durch geeignete Simulationsprogramme [13, 14] unter Voraussetzung einer zumutbaren und realistischen Fensterlüftungsfrequenz von mindestens 50 Minuten nachgewiesen werden.
Herausforderungen
Der Einsatz von raumlufttechnischen Anlagen zeigt eindeutige Vorteile in Hinblick auf die Raumluftqualität und die gebäudebezogenen Präventionsmaßnahmen des Infektionsschutzes. Gleichzeitig stellen diese Anlagen hohe Anforderungen an die Planung, die Ausführung und den Betrieb sowie die regelmäßige Wartung. Diesbezügliche Mängel führen zu Problemen im Alltag von Bildungseinrichtungen. Um die Nutzerakzeptanz im Betrieb sicherzustellen, ist vor allem die Einhaltung der Grenzwerte in Hinblick auf die Schallbelastung und die Vermeidung von Zuglufterscheinungen besonders wichtig. Die aktuellen Anforderungen an Schallschutz und Energieeffizienz von Lüftungsanlagen bedingen außerdem kürzere Wege und größere Strömungsquerschnitte bei der Luftführung, was eine vermehrte Situierung von Anlagenteilen auf den Dächern von Bildungseinrichtungen erwarten lässt. Dabei ist zu beachten, dass der Nutzungsdruck auf Dachflächen durch energie- und klimarelevante Maßnahmen (z. B. Photovoltaikanlagen, Dachbegrünungen) und, insbesondere in dicht bebauten Gebieten, auch für Freiraumnutzungen steigt. Deshalb sind eine gesamtheitliche Betrachtung und projektspezifische Abwägung bei allen Projekten erforderlich.
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1 Unter Regeneration sind Schlafund Ruheräume (z. B. in Kindergärten) zu verstehen. Freizeitorientierte Räume fallen in die Kategorie < 1400 ppm.
2 ppm = parts per million, Anzahl der Teile pro Million Teile
3 Dem AK „Schulraum“ gehören neben Referenten des ÖISS behördliche Entscheidungsträger wie BMBWF (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung), Bildungsdirektionen und Ländervertreter ebenso an wie die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Zu den einzelnen Themenbereichen werden außerdem einschlägige Fachleute temporär hinzugezogen.
Literatur und Normenverzeichnis
[1] Slotsholm ApS: Socio-Economic Consequences of better air quality in primary schools. In collaboration with the Centre for Indoor Environment and Energy at the Technical University of Denmark and the Dream Group. Dänemark, 2012.
[2] Wargocki, P.; Wyon, D.P.; Sundell, J.; et al.: The effects of outdoor air supply rate in an office onperceived air quality, Sick Building Syndrome (SBS) symptoms and productivity. Indoor Air 10: 222 – 236, 2000.
[3] Shaughnessy, R.; Haverinen-Shaughnessy, U.; Nevalainen, A.; et al.: A preliminary study on the association between ventilation rates in classrooms and student performance. Indoor Air 16: 465 – 468, 2006.
[4] Allen, J.; MacNaughton, P.; Satish, U.; et al.: Associations of cognitive function scores with carbon dioxide, ventilation, and Volatile Organic Compound Exposures in office workers: a controlled exposure study of green and conventional office environments. Environ Health Perspect 124: 805 – 812, 2016.
[5] Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB): OIB-Richtlinie 3: Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, 2023.
[6] Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft – Kohlenstoffdioxid als Lüftungsparameter, 2023.
[7] Österreichisches Institut für Schulund Sportstättenbau (ÖISS): ÖISS-Richtlinien für den Bildungsbau, 7.&8. Kapitel – Nachhaltigkeit, Energie, Raumklima und Haustechnik, 2023.
[8] Universität Stuttgart, IGTE: Abschlussbericht des Pilotprojektes „Experimentelle Untersuchung zum Infektionsrisiko in Klassenräumen in Stuttgarter Schulen“, 2021.
[9] ÖNORM H 6039: Lüftungstechnische Anlagen – Kontrollierte mechanische Beund Entlüftung von Schul-, Unterrichtsoder Gruppenräumen sowie Räumen mit ähnlicher Zweckbestimmung – Anforderungen, Dimensionierung, Ausführung, Betrieb und Wartung, 1. Februar 2023.
[10] Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): Positionspapier zu lüftungsunterstützenden Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe – Einsatz von Luftreinigern und Einbringung von Wirkstoffen in die Innenraumluft, 2022.
[11] Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), Arbeitskreis Innenraumluft: Positionspapier zu Lüftungserfordernissen in Bildungseinrichtungen, 2023.
[12] Österreichisches Institut für Schulund Sportstättenbau (ÖISS): ÖISS-Richtlinien für den Bildungsbau, September 2023.
[13] Rojas, G.; Greml, A.; Pfluger, R.; Tappler P.: Assessing the „sufficient ventilation“ requirement for Austrian buildings: development of a Monte Carlo based spreadsheet calculation to estimate airing intervals and mould risk in window ventilated buildings. International Journal of Ventilation, 1 – 10. doi.org/10.1080/14733315.2023.2198788, 2023.
[14] Lüftungsrechner CO -SIM, verfügbar unter raumluft.org, geprüft am 12. Februar 2024.