Klimawandelbedingte Veränderungen in Verbindung mit der steigenden Besiedelungsdichte führen zu einem deutlichen Anstieg von durch Starkregenereignisse verursachten Überflutungen. Die resultierenden Schäden an Bau­werken ließen sich mittels präventiver Maßnahmen deutlich reduzieren, weshalb die Thematik des Oberflächenabflusses frühzeitig in der Bauplanung berücksichtigt werden muss.

Text Hans Starl, Mathias Laudacher (in ehemaliger Funktion für die BVS – Brandverhütungsstelle für Oö. registrierte Genossenschaft m.b.H.)

In einer Welt, die zunehmend von extremen Wetterereignissen heimgesucht wird, steht die Baubranche vor der Herausforderung, Resilienz gegenüber der Natur zu einem zentralen Element ihrer Planungen zu machen. Insbesondere der Oberflächenabfluss nach Starkregenereignissen ist in Österreich in den Fokus gerückt. Denn die enorm hohen Niederschlagsmengen bei Gewitterereignissen lassen sich nicht immer geregelt über die vorhandenen Entwässerungseinrichtungen ableiten. Die daraus resultieren­ den Schäden an Bauwerken ließen sich mittels präventiver Maßnahmen deutlich reduzieren.

Oberflächenabfluss ist daher nicht nur als eine Aufgabe für Architekten, Planer, Gemeinden und Experten der Wasserwirtschaft zu betrachten, sondern vor allem eine Chance, durch vorausschauende Planung und präventive Schutzmaßnahmen Schäden zu minimieren und den Wert von Gebäuden langfristig zu sichern. Als Beispiel für eine angepasste Planung dient das Bundesland Oberösterreich, das seit 2021 bei Baulandwidmungen und Baubewilligungen in Abhängigkeit der Gefährdungslage entsprechende Detailausarbeitungen und Schutzmaß­ nahmen verlangt. Auch die OIB­Richtlinie 3 berücksichtigt diese Thematik seit Jahren [1].

 
Oberösterreichische Weitsicht

In Oberösterreich wird das Management von Hangwasser von der Baulandwidmung bis hin zur Baubewilligung mehrstufig und integriert behandelt, was eine effektive Prävention ermöglicht.

Behördenverfahren in
Oberösterreich, © Land OÖ

Raumordnungsverfahren

Ist die Grundstücksauswahl getroffen, so erfolgt im ersten Schritt die Flächenwidmung oder eine Änderung des Bebauungsplanes im Rahmen des Raumordnungsverfahrens. Eine Umwandlung von Grünland in Bauland wird in Österreich nicht leichtfertig vollzogen, sondern amtswegig oder auf Basis einer Anregung von der zuständigen Planungsbehörde (Gemeinderat) sorgfältig geprüft. Hierbei wird bereits die Hangwassergefährdung analysiert. Die Prüfung kann entweder eine geringe oder hohe Hangwassergefährdung ausweisen.

Ergebnis hohe Hangwassergefährdung

Dies erfordert eine gewissenhafte Prüfung durch die Raumordnungsbehörde und die gewässerbetreuende Dienststelle. Ein positiver Beschluss zur Flächenwidmung wird in diesem Fall nur dann gefasst, wenn zuvor effektive Hangwasserschutzmaßnahmen geplant und genehmigt oder ein umfassendes Oberflächenentwässerungskonzept positiv beurteilt wurde. Die Sicherstellung dieser Schutzmaßnahmen liegt in der Verantwortung der Raumordnungsbehörde, die durch einen Bebauungsplan oder Baulandsicherungsvertrag gewährleistet wird. Im Raumordnungsprozess wird zudem großer Wert darauf gelegt, erforderliche Abflusskorridore zu sichern. Diese werden durch Flächenwidmungs­ oder Bebauungspläne festgehalten und bewahrt, um eine naturgemäße und dauerhaft funktionsfähige, sichere Entwässerung zu ermöglichen.

Ergebnis geringe Hangwassergefährdung

Selbst bei einer geringen Hangwassergefährdung ist ein Hinweis auf die wasserwirtschaftliche Relevanz im Widmungsverfahren zu verankern. Damit wird eine Berücksichtigung im anschließenden Bauverfahren sichergestellt.

Bauplatzeignung

Ohne einen festgelegten Bebauungsplan obliegt es der Baubehörde, vertreten durch den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin, die Eignung eines Bauplatzes zu prüfen. Hierbei muss jeder Antragsteller – ob natürlich oder juristisch – alle erforderlichen Dokumente einreichen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Einschätzung der Hangwassergefährdung, die stets im Prüfprozess berücksichtigt werden muss.

Bauverfahren

Bei vorliegender Hangwassergefährdung muss die Hang­ und Oberflächenwassersituation ergänzend zu den bestehenden Anforderungen bereits in den Einreichunterlagen, d.h. im Bauplan, berücksichtigt werden. So müssen im Bauplan wasserbautechnische Lösungen zum Eigenschutz und – soweit eine Veränderung des Hangwasserabflusses durch die geplanten Maßnahmen/Anlagen (z. B. Baukörper, Zufahrten, Einfriedungen, Geländegestaltung) erfolgt – zum Schutz Dritter aufgezeigt werden. Werden Hangwässer in ein Gewässer eingeleitet bzw. eine Anlage im HQ30­Abflussbereich eines Gewässers geplant, so bedarf es eines wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens. Dies stellt sicher, dass Bauvorhaben in Einklang mit den natürlichen Wasserwegen realisiert werden und schützt sowohl die Umwelt als auch die Infrastruktur.

 

OIB-Richtlinie 3 – Umweltschutz als zentraler Bestandteil

Die Thematik wurde auch in den OIB­Richtlinien aufgegriffen. In der OIB­Richtlinie 3 „Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz“, Ausgabe 2019, findet sich unter Punkt 6.2 die Festlegung, dass Bauwerke so gestaltet sein müssen, dass sie vor dem Eindringen von Niederschlagswässern, einschließlich des Oberflächenabflusses, geschützt sind. Dies verlangt in Konsequenz eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Materie und die Implementierung von Maßnahmen, die über die reine Abdichtung hinausgehen. Damit wird eine umfassende Betrachtung erforderlich, die sowohl den Eigenschutz als auch den Schutz Dritter vor dem Oberflächenabfluss gewährleistet.

Zusammenarbeit von Behörden und Planern Gefährdungen, welche durch Oberflächenabfluss ausgelöst werden, sind meist nicht auf nur einem Bauplatz zu lösen und stellen daher eine Querschnittsthematik vieler Bereiche dar. Es bedarf meist immer des Zusammenspiels aller vom Wasserabfluss betroffenen Parteien, um funktionsfähige und nachhaltige Lösungswege zu realisieren. Aus diesen Gesichtspunkten resultiert auch die dadurch auftretende Rolle der zuständigen Behörden, welche diese übergeordnete Betrachtung bezogen auf eine angepasste und spezifische Detailausarbeitung zur Risikominimierung einfordern, auch wenn die Gefährdung von potenziell Betroffenen in dieser Phase des Bauverfahrens oft nicht in dieser Form wahrgenommen wird. Jedoch genau dieser kooperative Ansatz aller im Bauverfahren Beteiligten sichert langfristig gesehen, dass Bau­ werke nicht nur den aktuellen Standards entsprechen, sondern auch zukünftigen Herausforderungen standhalten können.

 

Risikobewusstsein schafft Präventionsbasis

Für eine erfolgreiche Umsetzung der präventiven Maß­ nahmen braucht es aber nicht nur eine entsprechende Gesetzgebung, sondern auch das Risikobewusstsein der Objekteigentümer. Dazu ist noch einiges an Bewusstseinsbildung nötig, wie eine in Oberösterreich durch­ geführte Studie der Experten des EPZ­Elementarschaden Präventionszentrums zeigt: Sie führten nach realen Ereignissen an über 150 Standorten in den Gefahrenbereichen, basierend auf Oberflächenwasserkarten, Analysen durch. Die Gefahrenbeurteilung der betrachteten Objekte zeigte, dass 60 % dieser Standorte eine moderate bis erhöhte Gefährdung durch Oberflächenabfluss aufweisen, doch 90 % dieser Objekteigentümer sich des Gefahrenpotenzials nicht bewusst waren, e siehe Diagramme 1 und 2. Diese derzeit noch eher unterschätzend ausgeprägte Gefahrenwahrnehmung bezogen auf die schädigende Wirkung durch Oberflächenabfluss, ist auch in anderen Teilen Österreichs oder Deutschlands die­ selbe, wie ähnliche Studienergebnisse bestätigen [2, 3].

 

Berücksichtigung von Oberflächenwasser bei Bestand und Neubau

Die Eintrittsstellen von Oberflächenabfluss in Gebäude sind vielfältig, doch geschützt werden kann jedes Gebäude – ob Bestand oder Neubau. Der Kosten­Nutzen­Vergleich zwischen Schutzmaßnahmen und möglichem Schaden fällt dabei aufgrund der meist geringen Wasserstandshöhen (< 30 cm) immer positiv aus. Die Oberflächenwasserkarte des EPZ berechnet auf Basis von Simulationsmodellen, wo potenzielle Gefahr durch Oberflächenabfluss droht und unterscheidet generell drei Gefährdungsklassen:

Auf Oberflächenwasserkarte aufbauende Gefahrenanalyse von 54 betrachteten Objektadressen, © Hans Starl [4]

  • Geringe Gefährdung: keine weiteren Schutzmaß­ nahmen erforderlich, augenscheinlich keine bzw. nur eine geringe Gefährdung durch Oberflächenabfluss erkennbar
  • Moderate Gefährdung: Schutzmaßnahmen zum Objektschutz (Eigenschutz) erforderlich
  • Erhöhte Gefährdung: Schutzmaßnahmen zum Objektschutz (Eigenschutz) sind notwendig und deren Auswirkungen auf Dritte (Fremdschutz) zu evaluieren.

Die Oberflächenwasserkarte des EPZ wird für die Risikobeurteilung und, wo notwendig, für die Erarbeitung präventiver Schutzmaßnahmen von Bestandsbauten und bei Neubauprojekten verwendet.

Für erkannte „Problemstellen“ stehen eine Vielzahl an kostengünstigen, meist baulichen, am Grundstück oder Objekt umgesetzten Schutzmaßnahmen zur Auswahl. Damit bedeutet die Gefährdungsklasse „erhöhtes Risiko“ kein unumgängliches Problem, sondern die projektspezifische Umsetzung präventiver Schutzmaßnahmen. Werden diese bereits beim Bau berücksichtigt, entstehen im Regel­ fall keine Mehrkosten. Die Oberflächenwasserkarte wird 2024 in der Plattform HORA (Natural

Hazard Overview & Risk Assessment Austria) integriert und ist für ganz Österreich unter www.hora.gv.at verfügbar.

Gefahrenbewusstsein der befragten Objekteigentümer der potenziell gefährdeten Lie­genschaften, © Hans Starl [4]

 

Resümee

Sicherheit durch Planung: Die vorausschauende und detailorientierte Herangehensweise im österreichischen Raumordnungs­ und Bauverfahren spiegelt die Notwendigkeit wider, Wasser als „gestaltendes“ Element des Bauens zu verstehen und zu respektieren. Das Einbeziehen der Oberflächenabfluss­Thematik in die Bauplanung legt das Fundament für nachhaltige, sichere und naturintegrierte Bauwerke, die besser für die Herausforderungen des Klimawandels gerüstet sind.


Literaturverzeichnis

[1] Land Oberösterreich: Hangwasser, verfügbar unter https://www.land-oberoesterreich.gv.at/260919.htm, geprüft am 15. Mai 2024.

[2] Zahnt, N. et.al.: Herausforderungen durch pluviale Überflutungen – Grundlagen, Schäden und Lösungsansätze, 2017, verfügbar unter https://www.researchgate.net/publication/321317505_Herausforderungen_durch_pluviale_Uberflutungen_-_Grundlagen_Schaden_und_Losungsansatze, geprüft am 15. Mai 2024.

[3] GDV­Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., GfK­Umfrage im Auftrag des GDV, 2016, https://www.gdv.de/resource/blob/32404/11 f81def69f956e3654fc1df0eb2ae0e/download-keineangstvor-ueberschwemmung-data.pdf, abgefragt am 2. April 2021.

[4] Starl, H.: Gebäudeschäden in Österreich als Folge von Hagelschlag und pluvialen Überflutungen: Präventive Gebäudeschutzmaßnahmen unter Berücksichtigung von klimawandelbedingten Veränderungen, Dissertation, TU Graz, 2023.