Damit ein Gebäude Lebensraum sein kann, muss es der Virtuv’schen utilitas entsprechen – Brauchbar und nützlich soll es sein! Schlechte Raumluft macht krank, meist ohne erkennbaren, direkten Zusammenhang. Daher ist Innenraumluftqualität ein K.O.-Kriterium bei der Zertifizierung und auch EU Taxonomie-Konformität kommt nur mit Nachweis der gesunden Raumluft zustande.

Text Anna-Vera Deinhammer, Sabine Huger

Luft ist lebenswichtig für den Menschen. Sie versorgt uns mit Sauerstoff, hilft CO2 auszuscheiden, reguliert die Temperatur, ermöglicht die Stimme, stärkt das Immunsystem und beeinflusst den Geruchssinn. Saubere Luft ist demnach entscheidend für unsere Gesundheit und Wohlbefinden. Vitruv‘s utilitas in der Bauphysik betont die Schaffung funktionaler, komfortabler, gesunder und nachhaltiger Räume. Dies optimiert die Lebensqualität und Zufriedenheit der Nutzer und berührt das bauphysikalische Themenfeld Raumumgebung, das die Aspekte Raumklima, Akustik, Licht, Elektrosmog und psychologische Einflüsse beinhaltet. Das Raumklima teilt sich wiederum in thermische Behaglichkeit und Innenraumluftqualität auf [1].

Atemzonen und Innenraumluftqualität

Wir erkennen, die Auseinandersetzung mit Luftqualität von Innenräumen zeitigt Auswirkungen auf die gesamte humane Sensorik. Deshalb bietet sich für den Einstieg ins Thema ein Standardwerk aus der bildenden Kunst an: Haus-Rucker-Co’s Atemzonen waren bis Februar 2024 im Linzer Lentos Kunstmuseum ausgestellt. Das Kunstprojekt der österreichischen Künstler aus den 1970er Jahren zielte auf Raumwahrnehmung und Mensch-Umwelt-Interaktion ab. Es kann als Inspiration für Innenräume dienen, die physischen und psychischen Komfort berücksichtigen. Gunter Zamp Kelp, Haus-Rucker-Co, führt aus, dass die Ausstellung die Anwesenheit von Luft thematisiert, einer essenziellen Gaskombination für das Leben. Sie wird oft erst bemerkt, wenn sie schlecht riecht, extreme Temperaturen oder Atemprobleme verursacht. Klimakontrolle und wohltemperierte Umgebungen sind dann gefragt, um unser Überleben zu sichern [2].

Diese Denkweise ist uns Technikern wohl bekannt, da wir mittels Planung und Ausführung die persönliche Erfahrung und den Nutzen von Räumen definieren. Aktuelle technische Vorschriften reflektieren dies und sind ein großer Fortschritt, insbesondere angesichts der späten Berücksichtigung der Innenraum-Immissionsbelastung in Österreich im Vergleich zur Außenluft [3]. Dies erstaunt, da das Leben in unseren Breiten im Durchschnitt zu 90 % in geschlossenen Räumen stattfindet [4].

Was macht uns krank?

Als Kennwerte werden die sogenannten Behaglichkeitsgrößen verwendet. Diese setzen sich aus nicht beeinflussbaren physiologischen Parametern, z. B. Alter, Geschlecht, den durch das Nutzerverhalten beeinflussbaren intermediären Aspekten, z. B. Kleidung, Raumbesetzung, und den physikalischen Bedingungen, z. B. Lufttemperatur, relative Feuchte und Luftbewegung, zusammen. Ebendiese physikalischen Bedingungen sind durch die gebaute Umgebung beeinflussbar und können bei falscher Planung oder Konditionierung krank machen [1].

Unbehagen kommt auf, wenn die Raumtemperatur als zu kalt oder zu warm empfunden wird. Eine dazugehörige Kenngröße ist in diesem Fall die Umschließungsflächentemperatur, die bestimmt, ob wir nahe gelegene Flächen durch den Strahlungsaustausch zwischen Hautoberfläche und Raumumschließungsflächen als behaglich oder als Störfaktor wahrnehmen. Insbesondre Glasflächen fordern unser Behaglichkeitsempfinden auf diese Weise heraus. Doch damit nicht genug: Zu trockene Luft schädigt unsere Schleimhäute, zu feuchte Luft verhindert die thermische Regulation des Körpers und begünstigt Schimmelwachstum. Luftbewegung hingegen kann Zugerscheinungen auslösen.

Für die Innenluftqualität ist auch die Luftzusammensetzung maßgebend. Luftbelastungen werden direkt durch die Wahl der Bauprodukte (Baustoffe, Ausstattung, Oberflächenbeschichtungen) hervorgerufen, im fortschreitenden Lebenszyklus durch das Nutzerverhalten (Atmung, Kochen, Erzeugen von unangenehmen Gerüchen) und durch das Eindringen von verunreinigter Außenluft (Abgase, Pollen, Staub, Radon).

Mechanische Lüftung, insbesondere in Wohnräumen, beeinflusst den letzten Aspekt nur begrenzt. Obwohl kontrollierte Wohnraumlüftung für Filterung und Energieeffizienz ideal wäre, zeigt das Nutzerverhalten eine starke Präferenz für das individuelle Öffnen von Fenstern, um die Verbindung zur Außenwelt aufrechtzuerhalten.

Das Lüften, gemessen durch die Luftwechselrate, entfernt Schadstoffe in Gebäuden und schützt vor Bauschäden. Die erforderliche Luftwechselrate, als Mindestluftwechsel bezeichnet, hängt von hygienischen und bauphysikalischen Anforderungen ab. Es ist wichtig, ein Optimum zu finden, das sowohl effizienten Gebäudebetrieb als auch optimale Raumklimabedingungen berücksichtigt, ohne unnötigen Wärmeverlust im Winter oder Kühlungsverlust im Sommer. Dabei ist die ganzheitliche Betrachtung der Bauaufgabe entscheidend, um aktiven Umweltschutz und Gesundheit in Einklang zu bringen und unsere Lebensqualität zu erhalten.

Von den Krankheitsbildern MCS, BSI, SBS und flüchtigen Verbindungen VOC

Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen können auf MCS, multiple chemical sensitivity, hinweisen, eine Gesundheitsstörung, die durch Duftstoff- oder Lösungsmittelunverträglichkeiten ausgelöst wird. [5] BRI, building related illness, bezieht sich auf Krankheiten, bei denen eine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung für einzelne Personen festgestellt werden kann, oft durch Schimmelpilze verursacht [6].

SBS, sick building syndrome, tritt auf, wenn mindestens 25 % der Gebäudenutzer Symptome wie Kopfschmerzen und Reizungen von Augen, Nase oder Rachen erleben. Diese Beschwerden verschwinden nach Verlassen des Gebäudes, eine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung ist oft schwer nachvollziehbar [1].

Die Wahl von Bauprodukten, wie bereits erwähnt, kann durch flüchtige organische Verbindungen VOCs, Geruchsbelästigungen, Reizungen und Symptome auslösen. Das Problem ist, dass diese Effekte nicht sofort einem spezifischen Krankheitsbild zugeordnet werden können, was zu einer frustrierenden Suche nach der Ursache führen und sogar den Vorwurf der Hypochondrie aufwerfen kann. Es ist wichtig, solche Situationen zu vermeiden, da auch chronische Auswirkungen, insbesondere krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Effekte, aus toxikologischen Bewertungen abgeleitet wurden.

Gesetzliche Rahmenbedingungen EU und national

Die Verordnung (EU) 2020/852, auch bekannt als EU Taxonomie-Verordnung beschreibt im Artikel 14 den wesentlichen Beitrag zum Schutzziel 5 Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung wie folgt: „[…] Verbesserung der Luft-, Wasser- oder Bodenqualität in den Gebieten, in denen die Wirtschaftstätigkeit stattfindet, bei gleichzeitiger Minimierung aller nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt oder Risiken solcher Auswirkungen; […]“.

Die Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139, oft als „Delegierter Rechtsakt zur Klimataxonomie“ bezeichnet, ergänzt die bereits erwähnte Verordnung (EU) 2020/852 beispielhaft für das jedenfalls zu erreichende Do No Significant Harm Kriterium des Schutzziels 5: „[…] Baubestandteile und Baustoffe, mit denen Bewohner in Berührung kommen, emittieren weniger als 0,06 mg Formaldehyd pro m3 Baustoff oder Bestandteil nach Prüfung gemäß den Bedingungen in Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und weniger als 0,001 mg andere krebserregende flüchtige organische Verbindungen der Kategorien 1A und 1B pro m3 Baustoff oder Bestandteil nach Prüfung gemäß CEN/EN 16516 oder ISO 16000-3:2011 oder anderen gleichwertigen genormten Prüfbedingungen und -methoden […]“.

Die OIB-Richtlinie 3 „Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz“, Ausgabe 2023, regelt in Österreich die Anforderungen an Lüftung und Beheizung. Dem Kapitel 10.1.1 ist u.a. zu entnehmen, dass für Aufenthalts- und Sanitärräume ausreichend Lüftung unmittelbar ins Freie sichergestellt werden muss. Eine mechanische Lüftung kann diesen direkten Luftaustausch nur dann ersetzen, wenn diese eine ausreichende Luftwechselrate zulässt. Vorgelagerte, verglaste Loggien oder Wintergärten sind dann für Aufenthaltsräume zulässig, wenn diese der jeweiligen Wohn- und Betriebseinheit zugeordnet sind und sich die Fenster, Türen, o.ä. öffnen lassen. Das Kapitel 10.1.2 ergänzt, dass Räume mit einer besonders hohen zu erwartenden Luftfeuchte-Produktion – z. B. Küchen, Bäder – jedenfalls natürlich oder mechanisch zu belüften sind.

Die Bestimmungen für die Installation von Feuerstätten besagen im Abschnitt 10.1.3, dass entsprechend deren Auslegung die Luftwechselrate sichergestellt sein muss. Raumluftabhängige Feuerungsanlagen benötigen Heizräume, welche eine Mindestquerschnittsfläche von 400 cm² der Zuluftführung aus dem Freien aufweisen müssen.

Literaturverzeichnis

[1] Künzel, H.: Skriptum Raumklima. Stuttgart: Master Online: Bauphysik.

[2] kultur-online: Haus-Rucker-Co: Atemzone. 16.10.2023, verfügbar unter https://kultur-online. net/inhalt/haus-rucker-co-atemzonen, geprüft am 12.02.2024.

[3] Bundesministerium Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie: Richtlinie zur Bewertung der Luftqualität von Innenräumen, verfügbar unter https://www.bmk.gv.at/themen/ klima_umwelt/luft/innenraum/rl_luftqualitaet. html, geprüft am 12.02.2024.

[4] Ökokauf Wien: Innenraumluftqualität, verfügbar unter https://www.wien.gv.at/umweltschutz/oeko- kauf/pdf/innenraum.pdf, geprüft am 12.02.2024.

[5] Bartha, L.; et al.: Multiple Chemical Sensitivity. A 1999 consensus. In: Archives of Environmental Health: An International Journal, 54:3, 147 – 149.

[6] Umweltbundesamt: Krank in einem „krankmachenden“ Gebäude – das Sick-Building-Syndrom. 07.11.2017, verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/belastung-desmenschen-ermitteln/umweltmedizin/sick-building-syndrom, geprüft am 12.02.2024.