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Interview

Auszug aus dem Interview zum Thema „Nachhaltigkeit“

 

Interviewpartner: Thomas Kasper, Präsident des österreichischen Baustoffrecyclingverbandes und Umweltbeauftragter der PORR Group, und Georg Hofmann, Mitarbeiter der Stabsstelle für Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen der Stadt Wien.

 

Anna-Vera Deinhammer (Magistratsdirektion Wien): "Bitte teilen Sie mit uns Ihre Definition von einer nachhaltig gebauten Umwelt. Was sind die drei bis fünf Big Points, die jedenfalls betrachtet werden müssen?"

 

Georg Hofmann

„Keep it simple but smart.“ Weg vom Einsatz hochgerüsteter Techniken mit entsprechendem Wartungsaufwand hin zum intelligenten Einsatz von lang nutzbaren und gut wiederverwendbaren Materialien. Das ist keine Rückkehr zur Lehmhütte. Unsere Gebäude werden weiterhin hinreichende Haustechniksysteme besitzen. Diese müssen allerdings gezielter eingesetzt werden und sollten nicht dem Selbstzweck dienen. Nicht nur weil die Technik vieles kann, muss sie bis zur letzten Optimierungsstufe ausgenützt werden. Auch die Baumaterialien selbst werden einer gut durchdachten und geplanten Reduzierung unterzogen werden müssen. So besitzen aktuelle Vollwärmeschutzfassaden einen Materialienmix, der nie wieder getrennt werden kann. Je weniger Materialien in einem Gebäude verwendet werden, desto geringer ist der relative Wartungsaufwand. Niemand baut heute mehr Gründerzeithäuser, da sie zahlreiche, nicht nur energetische Nachteile haben. Aber: Der Materialienmix eines unsanierten Gründerzeithauses ist unschlagbar niedrig und besteht aus Ziegeln, Holz, Sand, Kies, Zement, Stein, Metall und Glas. Ein weiterer Punkt sind die Änderungen in der Planung, Ausführung und (Um­)Nutzung von kreislauffähigen Gebäuden. Weg von den reinen Errichtungskosten als Bewertungsgrundlage hin zu einer Lebenskostenanalyse. Höhere Kosten in der Errichtungsphase können die langjährige und flexible Umnutzung garantieren, wenn einige grundlegende Dinge berücksichtigt wurden – so beispielsweise die Langlebigkeit der statischen Grundstruktur. Es sollten bereits im Vorhinein mögliche zukünftige Nutzungen im Laufe der Nutzungsdauer des Gebäudes (Erschließung, Haustechnikzugänglichkeit, Belichtung) mitbedacht und von monofunktionalen Planungen abgesehen werden. …

 

Anna-Vera Deinhammer (Magistratsdirektion Wien): "Welche sozialen, ökonomischen, ökologischen und/oder technischen Entwicklungen der letzten fünf Jahre bezüglich Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen werden sich Ihrer Meinung nach durchsetzen?"

 

Thomas Kasper

Zurzeit tut sich im Bauwesen sehr viel. Wir beobachten viele Ideen, Forschungsprojekte, neue Geschäftsmodelle und Gesetzesänderungen, die die Baubranche in den Fokus rücken. Beginnend bei der Ausbildung von Bautechnikern und Planern, werden die Kollegen heute mit Wissen, Werkzeug und einem neuen Bewusstsein ausgestattet, das neue Lösungen und Ansätze erwarten lässt. Die Baustoffindustrie entwickelt neue nachhaltige Baustoffe und passt konventionelle Baustoffe an. Die öffentliche Hand berücksichtigt in der Vergabe von Bauleistungen immer öfter Aspekte der Nachhaltigkeit und die ökologischen Auswirkungen des Bauens. Da sind wir am Anfang, da ist viel zu erwarten. In erster Linie werden sich Entwicklungen durchsetzen, die ökonomisch und ökologisch sinnvoll sind. Aktuell gibt es eine Reihe von baulichen Maßnahmen, die sich aufgrund ihrer energetischen Effekte durchsetzen und nicht mehr wegzudenken sind. Das sind energieschonende und alternative Heizsysteme wie Kombinationen aus Geothermie, Photovoltaik und entsprechender bautechnischer Anpassungen an sommerliche Überhitzung und Wärmespeicherung. Hier sei im Massivbau die Technologie der Bauteilaktivierung erwähnt, die in Kombination mit den bereits genannten Technologien zu wesentlichen Reduktionen des Energiebedarfs führen. Wenn wir Gebäude errichten, die in ihrer Nutzung keine Energie brauchen oder on site beziehen und selbst produzieren, verändert das nachhaltig unser Energieerzeugungs­- und ­bereitstellungssystem. Ich glaube, dass sich unser Umgang mit der Ressource Boden verändern wird. Wir werden weniger auf unberührten Standorten bauen, wir werden uns auf bereits genutzte Standorte konzentrieren. Brachflächenrecycling wird in diesem Zusammenhang an Bedeutung gewinnen.

 

Das gesamte Interview finden Sie in OIB aktuell, 2.2022