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Interview

Auszug aus dem Interview zum Thema „Bestandsbauten und Denkmalschutz“

 

Interviewpartner: Martin Lenikus, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe LENIKUS, und Georg Scherer, Blogger bei der Online-Ausgabe von Der Standard.

 

Martin Treberspurg (Architekt): "Ziviltechniker, insbesondere Architekten, sind auch moralisch verpflichtet, vorausschauend zu planen. Oft sind die Bauträger nicht Gebäudebesitzer, die die Gebäude in den nächsten Jahrzehnten betreiben und erhalten müssen. Gibt es eine derartige moralische bzw. haftungsmäßige Verpflichtung für Bauträger für zukunftsfähiges und vorausschauendes Bauen?"

 

Martin Lenikus

Alle Menschen und Institutionen, die bauen (dürfen), aber auch alle Behörden und Politiker, die die Errichtung oder Veränderung von Bauwerken genehmigen, haben eine riesengroße gesellschaftliche Verpflichtung zu erfüllen. Das Problem ist aber wie so oft nicht das „Nicht-Wollen“, sondern das „Nicht-Wissen“. Das beginnt in der Schule, wo Ästhetik sowie Formen- und Farbenlehre bestenfalls gestreift und der Zugang zu Architektur und Baugeschichte nur in den seltensten Fällen dargebracht werden, und endet beim Bürgermeister, der Baubehörde 1. Instanz ist, aber im Regelfall kein Architekt oder Stadtplaner ist und sich dann zumeist erst alles mühsam erarbeiten muss. Kein Wunder, dass unsere Republik mit Bausünden vollgepfropft ist, die alle auf diesem „Nicht-Wissen“ beruhen. Jahrhundertealte Dorfhäuser wurden in den letzten 50 Jahren brutalst entstellt und die historischen Holzkastenfenster unter dem tosenden Beifall der „es gut meinenden“ vermeintlichen Modernisierer durch grauenhafte, unförmige Kunststofffenster ersetzt. Dazu dann noch ein fetter Styroporpolster, vulgo Vollwärmeschutz, und ganz viel Neonfarbe auf die schöne neue Fassade und schon ist die Geschmacklosigkeit fast komplett. Den Rest der Entstellung und Entwürdigung des armen, alten Hauses erledigt das neue Metalldach, das dann allerdings stark wie ein Stier ist. …

 

 

Martin Treberspurg (Architekt): "Denkmalschutz garantiert langfristig kulturelle Identität. Dies ist gut erlebbar, wenn man deutsche Klein- und Mittelstädte in der ehemaligen BRD mit solchen in der ehemaligen DDR vergleichend berücksichtigt. Eine Restaurierung im Sinne des Denkmalschutzgesetzes ist viel aufwändiger als eine übliche Sanierung. Mit welchen Ideen, Maßnahmen und wünschenswerten gesetzlichen finanziellen und förderungstechnischen Rahmenbedingungen können Bauträger diese Herausforderung bewältigen?"

 

Georg Scherer

… Der Gesetzgeber verpflichtet Eigentümer denkmalgeschützter Häuser zum Erhalt. Zugleich fehlen Sanierungsanreize. Deswegen müssen Aufwendungen, die aus dem Denkmalschutz entstehen, künftig Berücksichtigung im Steuerrecht finden. Vorschläge für Reformen im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz liegen seit vielen Jahren auf dem Tisch und warten auf eine Umsetzung.

Die derzeit bestehenden Förderungen sind unzureichend, um effektiv bei der Sanierung von denkmalgeschützten und anderen erhaltenswerten Gebäuden zu unterstützen. Beispielsweise ist der Wiener Altstadterhaltungsfonds so niedrig dotiert, dass er nicht einmal ausreicht, um sanierungsbedürftige Gebäude vor der wirtschaftlichen Abbruchreife zu bewahren. Eine Erhöhung der Förderungen von Bund und Ländern ist daher essenziell.

Da Denkmalschutz und Ortsbildpflege auch den Zielen des Fremdenverkehrs zuarbeiten, könnten Kommunen genau festgelegte Anteile an der Ortstaxe direkt für Sanierungsförderungen bereitstellen. Denkbar ist auch eine „Österreich-Taxe“: Ein Euro pro touristischer Nächtigung würde – gerechnet auf Vor-Corona-Zahlen – jährlich über 150 Millionen Euro einbringen. Dies alles zweckgewidmet für Sanierungen historischer Bauten, insbesondere solche in privatem Eigentum. Eine maßvolle „Sanierungsabgabe“ für alle Neubauten könnte weitere Mittel für den Bestandserhalt generieren, auch unabhängig von Denkmal- und Ensembleschutz.

Denkmalschutz muss für Eigentümer etwas Erstrebenswertes sein. So wie für die ganze Gesellschaft. Denn kurzlebige Allerweltsbauten gibt es ohnehin zur Genüge und attraktive historische Gebäude wachsen nicht nach. Als kleines Land in einer hochmobilen Welt ist Österreich auf die Bewahrung seines baukulturellen Erbes ganz einfach angewiesen. …

Das gesamte Interview finden Sie in OIB aktuell, 1.2022